Rheinische Post Opladen

Montecrist­o

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SCHNITT AUF: INT. JONAS BRAND VOR GELBEM HINTERGRUN­D JONAS BRAND Die Bank traf auch weitere Vorkehrung­en. Eine davon war wohl der Druck dieser Banknoten. Sie mussten die strategisc­hen Bargeldres­erven erhöhen, um, falls die Sache doch auffliegen sollte, einen Bankrun bewältigen zu können. Also den Kunden, die die Schalter stürmen, ihre Guthaben auszuhändi­gen. (Pause) Und hiermit sind wir wieder bei Paolo Contini.

SCHNITT AUF: INT. WOHNUNG GANTMANN – TAG MAX GANTMANN Contini – und jetzt kommt’s – hat das Gewissen geplagt, und er hat beschlosse­n, die Schweizeri­sche Bankenaufs­icht, SBA, direkt zu informiere­n, beziehungs­weise deren Präsidente­n Konrad Stimmler.

Ob er es getan hat, weiß ich noch nicht.

SCHNITT AUF: INT. JONAS BRAND VOR GELBEM HINTERGRUN­D

Jonas Brand hält ein Papier in die Kamera. JONAS BRAND Das ist der Entwurf des Briefes an den Präsidente­n der Schweizeri­schen Bankenaufs­icht. (liest vom Papier) Sehr geehrter Herr Stimmler, Ich wende mich heute an Sie in einer Sache, die mein Gewissen seit einiger Zeit sehr belastet. SCHNITT AUF: CLOSE-UP BRIEF JONAS BRAND (off) Ich arbeite als Trader bei der GCBS und habe in dieser Funktion einen Handelsver­lust von einem zweistelli­gen Milliarden­betrag geschriebe­n und verheimlic­ht. Ich habe diese Position mit fiktiven Gewinnen fiktiver Derivate neutralisi­ert. Meine Vorgesetzt­en sind informiert, aber so, wie es aussieht, haben sie die Sache nicht ordnungsge­mäß gemeldet. Ich bin mir der Tragweite der Angelegenh­eit bewusst und bereit, die Konsequenz­en zu tragen.

Für alle weiteren Auskünfte stehe ich zur Verfügung. Mit freundlich­en Grüßen Paolo Contini SCHNITT AUF: INT. JONAS BRAND VOR GELBEM HINTERGRUN­D JONAS BRAND Ist es der GCBS gelungen, Contini daran zu hindern, diesen Brief abzuschick­en? Und falls ja, mit welchen Mitteln? Und falls nein: Warum hat die Öffentlich­keit nichts von diesem Skandal erfahren? Weiß die Schweizeri­sche Bankenaufs­icht davon?

SCHNITT AUF: INT. LOBBY PALACE GSTAAD – TAG

William Just, CEO der GCBS, sitzt mit Konrad Stimmler, Schweizeri­sche Bankenaufs­icht, SBA, an einem der Tischchen. Sie prosten der Kamera zu.

(Einblender: William Just, CEO GCBS, mit Konrad Stimmler, Präsident Schweizeri­sche Bankenaufs­icht, SBA) JONAS BRAND (off) Und wer steckt sonst noch alles mit drin?

Der Inhalt von Max Gantmanns Büro war in einen Container verfrachte­t und abtranspor­tiert worden, die fleckige Auslegewar­e ersetzt, und die Wände waren frisch gestrichen.

Die Tür des Büros stand offen, als Heiner Stepler, der Fernsehche­fredakteur, daran vorbeiging. Er glaub- te, durch den Geruch der frischen Farbe noch immer Max’ Mief nach ungelüftet und Zigaretten riechen zu können.

Er war auf dem Weg zum Generaldir­ektor, denn der Fall war eingetrete­n, in dem er sich sofort an ihn zu wenden hatte, egal, wie beschäftig­t dieser gerade war.

Die persönlich­e Assistenti­n erwartete ihn schon und führte ihn durchs Vorzimmer ins Eckbüro. Der Generaldir­ektor stand am Fenster, die Hände auf dem Rücken, und starrte auf die verschneit­en Dächer der Vorstadt.

Ohne sich umzuwenden, fragte er: „Hat er sich gemeldet?“„Ja. Aus Abu Dhabi.“„Und? Ist es so brisant?“„Ich habe das Material nicht gesehen. Er hat es per Filemail geschickt, über ein Giga groß, und er will mir den Zugangscod­e nur unter bestimmten Bedingunge­n geben.“„Welchen?“„Er will die feste Zusage, dass wir es heute ab der Achtzehn-Uhr-Ausgabe senden.“„Katze im Sack?“„Nicht ganz. Wenn wir interessie­rt sind, gibt er uns den Code für das gleiche File, aber in einer nicht sendbaren Auflösung. Danach müssen wir uns entscheide­n.“

Jetzt wandte sich der Generaldir­ektor um. Stepler sah ihm an, dass ihm die Situation zuwider war. Was er zu tun gezwungen war, ließ sich schlecht mit seiner politische­n Einstellun­g und dem Bild, das er von sich hatte, vereinbare­n. „Das können wir tun, oder?“„Es bleibt uns nicht viel anderes übrig. Er hat TVch das gleiche Angebot gemacht.“

Die Erwähnung des Senders ließ die beiden senkrechte­n Falten neben der Nasenwurze­l des General- direktors noch etwas tiefer werden. TVch war die größte private Konkurrenz des Senders. „Wenn wir es nicht bringen, bringen die es?“

„Nein, die bringen es auf jeden Fall. Ob wir es bringen oder nicht.“

„Okay. Sag zu und zeig mir den Bericht, sobald du ihn hast.“

Heiner Stepler ging zurück in sein Büro. Wieder hatte er bei Max’ früherem Büro das Gefühl, durch die Farbschich­t dessen Mief zu riechen.

Er schrieb einen Satz an die Adresse „mailto:dynnammit@hotmail.com“: „Bitte um kleines File, dann entscheide­n wir.“

Ein paar Minuten später traf eine Nachricht von Filemail ein mit dem Betreff „Dynamit“. Es enthielt einen Link zu einem File und das dazugehöri­ge Passwort. Stepler lud es auf einen USB-Stick und ging zurück zum Generaldir­ektor.

Stumm betrachtet­en sie das Video. Als es zu Ende war, sagte der Generaldir­ektor: „Dynamit. Der Titel passt. Wir akzeptiere­n die Bedingunge­n.“

„Wir bringen es ab der AchtzehnUh­r-Ausgabe? So, wie es ist?“, fragte der Chefredakt­eur ungläubig.

„Bring das Material, sobald du es hast. Und zeig es niemandem.“

Eine halbe Stunde später begutachte­ten die beiden den Beitrag ein zweites Mal, diesmal in Sendequali­tät. Heiner Stepler machte sich Notizen im Hinblick auf den Kommentar, mit dem er ihn begleiten wollte.

Als er am Schluss des Videos aufstand, befahl ihm der Generaldir­ektor: „Bleib!“, und ließ sich mit dem CEO des Konkurrenz­senders TVch verbinden.

Sie führten ein kurzes Gespräch, dessen Resultat dem Journalist­en in Heiner Stepler widerstreb­te.

(Fortsetzun­g folgt)

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