Kölnerin träumt vom Flug ins All
Eine private Initiative will eine Frau zur Weltraumstation ISS schicken. Nur noch sechs potenzielle Astronautinnen sind im Rennen. Mitte April fällt die Entscheidung. Nur das Geld fehlt noch.
BREMEN Der Moment, auf den sich Nicola Baumann am meisten freut, ist der Start. Nicht etwa der Beginn von etwas, sondern der buchstäbliche Start der Rakete, die sie ins Weltall bringen soll. Der Moment, wenn sie in den Sitz gedrückt wird und den Erdboden verlässt. Ob sie den tatsächlich einmal erleben wird, steht bislang noch in den Sternen, aber immerhin ist die 31-Jährige recht nah dran. Die gebürtige Münchnerin, die nun in Köln lebt, ist eine der sechs Finalistinnen in dem Projekt „Die Astronautin“. Im medizinisch-psychologischen Auswahlverfahren des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Claudia Kessler (DLR) hätten sie bewiesen, dass sie über die psychologischen Fähigkeiten und medizinischen Voraussetzungen für Vorbereitungen auf einen Flug in den Weltraum verfügen, sagte Claudia Stern vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. Eine von ihnen soll 2020 zur internationalen Weltraumstation ISS fliegen und rund zehn Tage in der Schwerelosigkeit verbringen – als erste deutsche Frau überhaupt.
490 Frauen hatten sich vor etwa einem Jahr auf den Aufruf des privaten Projekts beworben. Dann wurde ausgesiebt: auf 90, 60, 30, jetzt sechs Frauen. Baumann ist Pilotin bei der Bundeswehr. Sie trägt den Dienstgrad „Major“und ist für die Luftraumüberwachung in Deutschland und befreundeten Nato-Staaten zuständig. Sie fliegt den Eurofighter – als eine von drei Frauen in Deutsch- land. Baumann, die heute in Köln lebt, war immer ganz vorne mit dabei. Genau dieser Pioniergedanke ist es, der das Projekt tragen soll. „Die Frauen sollen Vorbilder sein“, sagt Initiatorin Claudia Kessler. Ganz nach dem Motto: Was Männer können, schaffen Frauen schon lange.
Auch die Lebensläufe der anderen fünf Finalistinnen überzeugen. Lisa Marie Haas (33) aus Nürtingen (Baden-Württemberg) ist Entwicklungsingenieurin bei der Robert Bosch GmbH. Susanne Peters (31) aus Potsdam beschäftigt sich an der Universität der Bundeswehr München mit der Entfernung von Weltraummüll aus dem Orbit. Die 37 Jahre alte Suzanna Randall, geboren in Köln, ist Astrophysikerin und arbeitet auch für das „Alma“Projekt in Chile, dem derzeit größten Teleskop der Welt. Die gebürtige Österreicherin Magdalena Pree (28) ist Ingenieurin beim DLR, und Insa Thiele-Eich (33) aus Königswinter ist Meteorologin an der Universität Bonn – und Tochter des Astronauten Gerhard Thiele, der 2000 auf Weltraummission geschickt wurde.
Entstanden ist die Initiative als „kleine, spinnerte Idee“, so erzählt es Kessler bei der Vorstellung der letzten sechs Bewerberinnen bei Airbus in Bremen, Deutschlands größten Raumfahrtstandort. Sie selbst hatte schon als Kind Astro- nautin werden wollen, sei aber immer entweder zu jung oder zu alt für die Auswahl gewesen, berichtet die Geschäftsführerin von HE Space, einem Personaldienstleister in der Weltraumbranche. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so alt werde, ohne dass eine deutsche Frau ins All geflogen ist“, sagt sie. Darum nimmt sie die Sache jetzt selbst in die Hand – oder will es versuchen.
Ziel der Initiative ist es, mit Crowdfunding Geld einzunehmen. 125.000 Euro sind für das erste Ausbildungsjahr der zwei endgültigen Finalistinnen notwendig. Beide werden ausgebildet, aber nur eine fliegt zur ISS. Mit ihren Beträgen können sich die Spender Verschie- denes erkaufen. Für fünf Euro etwa gibt es intergalaktische Dankbarkeit, für 75 Euro ein T-Shirt mit dem Logo der Initiative, für 5000 Euro kommt eine Finalistin zu Besuch, und wer sogar 15.000 Euro hinlegt, darf einen Trainingstag mit einer Finalistin verbringen. Für den größten Batzen der Kosten – der Flug ins All kostet rund 40 Millionen Euro – sollen Sponsoren gefunden werden.
Die letzten sechs Frauen stehen mit beiden Beinen im Leben, haben Vollzeitjobs, zwei von ihnen sind zudem noch Mütter von jeweils zwei Kindern. Allen geht es um die Gleichberechtigung. So sagt Pree: „In anderen Ländern ist es viel normaler, dass Frauen in technischen Berufen arbeiten. Das muss es in Deutschland auch werden.“Militärpilotin Baumann sagt, sie habe sich zwar nie mehr anstrengen müssen als Männer, aber: „Wenn ich gute Leistungen gebracht habe, wurde das deutlicher wahrgenommen – gleichzeitig auch, wenn ich schlechte Leistungen gebracht habe.“
Einer, der weiß, wie es ist, sich außerhalb der Erdatmosphäre zu befinden, ist der ehemalige Astronaut Ulrich Walter. Er sitzt im Auswahlgremium, das bis zum 19. April die zwei Frauen bestimmt, und kennt den Druck – gerade, wenn so viel Geld dahintersteckt. „Nicht aufgeben“, rät er den Frauen. Die Ausbildung koordiniert Peter Eichler, der für den Flugzeugbauer Airbus bereits 76 Astronauten aus 13 Ländern auf Weltraummissionen vorbereitete. „Wenn ich dieses Mal beim Start dabei stehe, werde ich besonders stolz sein.“
Auch auf die Möglichkeit, nicht weiterzukommen, haben sich alle Finalistinnen eingestellt. Sie hoffen, dass die Europäische Weltraumorganisation (ESA), die für Europa die Astronauten auswählt, dann auch Frauen sucht. So sagt Baumann: „Wenn ich ausscheide, ist das Weltall ja nicht weg.“
„Ich hätte nie gedacht, dass ich so alt werde, ohne dass eine deutsche Frau ins All geflogen ist“ Initiatorin „Die Astronautin“