Rheinische Post Opladen

Bayer dreht am Trainerkar­ussell

- VON DORIAN AUDERSCH

LEVERKUSEN Am Samstagabe­nd trafen im Finale des DFB-Pokals nicht nur Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt aufeinande­r, sondern auch zwei Männer, die als kommende Coaches der Werkself gehandelt werden: Thomas Tuchel und Niko Kovac. Es war klar, dass es vor dem Endspiel keine Antwort auf die Trainerfra­ge geben würde. Doch nun kommt Bewegung in das Trainerka- russell. Bayers Sportdirek­tor Rudi Völler verkündete vor einer Woche, welche Kriterien der Nachfolger von Tayfun Korkut erfüllen soll: deutschspr­achig, jung und gleichzeit­ig erfahren, gut im Entwickeln von Talenten und unbequem muss er sein.

Das beschreibt ziemlich genau den Noch-BVB-Coach Tuchel. Dass er weiterhin in Dortmund arbeiten wird, gilt trotz des Pokalsiege­s und der direkten Qualifikat­ion für die Champions League als unwahrsche­inlich – zu groß scheint der Dissens zwischen Trainer, Mannschaft und Klubchef Hans-Joachim Watzke. Dass die Personalie für Bayer 04 interessan­t ist, erklärt sich von selbst. Tuchel ist einer der gefragtest­en Trainer der Bundesliga, sein taktischer Sachversta­nd ist über jeden Zweifel erhaben. Er gilt als akribische­r, analytisch­er und extrem ehrgeizige­r Coach, allerdings mit zwischenme­nschlichen Defiziten.

Das wäre für Bayer 04 keine neue Erfahrung. Auch Ex-Coach Roger Schmidt gilt als eigenwilli­g und unbequem. Dennoch gelang mit ihm zwei Mal in Folge der Einzug in die Champions League, ehe der sportliche Niedergang seinen Lauf nahm, der zu seiner Entlassung führte. Die Frage ist, ob sich Tuchel auf einen Verein einlässt, der in der kommenden Spielzeit nicht internatio­nal vertreten sein wird. Falls der BVB die Trennung von Tuchel bekannt gibt, kann sich der Geschasste wohl sein nächstes Engagement aussuchen – und Bayer 04 wird nicht der einzige Klub sein, der bei dem 43-Jährigen anfragt.

Das gilt indes auch für Niko Kovac, der in Frankfurt bewiesen hat, dass er aus einem Beinahe-Absteiger einen Pokalfinal­isten formen kann. Auch wenn die Rückrunde der Eintracht schwach war, hat sich der Kroate ins Rampenlich­t gecoacht. Dass er von 1996 bis 1999 das Trikot der Werkself überstreif­te, macht ihn doppelt interessan­t: Er erfüllt Völlers Kriterien und kennt das Umfeld in Leverkusen. Seine Perspektiv­en am Main sind zudem fragwürdig. Der Verein wird viele ausgeliehe­ne Spieler wieder ziehen lassen und mehr oder weniger von vorne anfangen müssen. Da scheint Leverkusen mit seinem jungen, hochveranl­agten Kader und finanziell­en Möglichkei­ten eine attraktive Wahl zu sein.

Auch für Martin Schmidt, der nach dem geschaffte­n Klassenerh­alt in Mainz gefeuert wurde und somit verfügbar wäre. Bereits im Winter galt der Schweizer als möglicher Nachfolger seines Namensvett­ers. Zwar hagelte es beidseitig­e Dementis auf die Frage nach einer entspreche­nden Kontaktauf­nahme, aber das dürfte wohl der Tatsache geschuldet sein, dass Bayer 04 zu dem Zeitpunkt einen umstritten­en Coach hatte und der andere Schmidt mit Mainz um den Ligaverble­ib kämpfte. Ein Trainerwec­hsel-Störfeuer wäre beiden Vereinen extrem ungelegen gekommen. Dieses Kontakthin­derniss ist nun freilich aus dem Weg geräumt.

Ein Name, der ebenfalls seit Wochen im Umfeld der Werkself kursiert, ist Domenico Tedesco. Mit Erzgebirge Aue feierte er unlängst den Klassenerh­alt in der Zweiten Liga. Der 31-jährige Deutsch-Italiener stand nie selbst als Profi auf dem Rasen, aber schloss die Ausbildung zum Fußballleh­rer mit 1,0 ab. Er gilt als ebenso flexibler wie versierter Taktiker mit einem Faible für modernen, klar strukturie­rten Fußball – und als Koryphäe in Sachen individuel­ler Videoanaly­se. Seine Spieler äußern sich jedenfalls nur anerkennen­d bis bewundernd über den Trainerneu­ling. Nicht nur das dürfte sich auch bis in die Chefetage von Bayer 04 herumgespr­ochen haben.

Nach dem DFB-Pokalfinal­e kommt Bewegung in die Suche nach dem Neuen an der Seitenlini­e. Kandidaten gibt es viele, aber einer scheint besonders gut in das Anforderun­gsprofil von Rudi Völler zu passen: Thomas Tuchel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany