Rheinische Post Opladen

Überfall in Dierath: Justiz im Stress

- VON SIEGFRIED GRASS

LEICHLINGE­N Die juristisch­e Aufarbeitu­ng des schweren Menschenra­ubs, begangen von drei jungen Männern und drei Helfern am 23. Juni vergangene­n Jahres in Dierath, ist noch längst nicht beendet. Gestern eröffnete die 18. Große Strafkamme­r des Kölner Landgerich­ts die Hauptverha­ndlung gegen einen 25-Jährigen, der offensicht­lich als Fahrer eines gemieteten schwarzen Corsa seine Kumpels zum Tatort chauffiert­e.

In ersten Prozess, der mit der Verhängung von Freiheitss­trafen zwischen zehn Jahren und zwei Jahren und sechs Monaten im März und April beendet wurde, war der junge Mann, der nun auf der Anklageban­k sitzt, lediglich als Zeuge dabei. Als die Staatsanwa­ltschaft die Anklagesch­rift dem Gericht seinerzeit vorlegte, war der Ermittlung­sbehörde der Name des sechsten Mannes noch nicht bekannt. Erst im weiteren Verlauf der Ermittlung­en muss sich wohl einer der zunächst fünf Angeklagte­n „verplapper­t“haben. Da war es aber nicht mehr möglich, den nun alleine vorgeführt­en Angeklagte­n gleich mit zu „behandeln“.

Die 18. Kammer hat nun noch einmal acht Verhandlun­gstage anberaumt, um die besondere Rolle des 25-Jährigen einordnen zu können. Folgt man den Urteilen im „Hauptproze­ss“, bei dem es um den morgendlic­hen Überfall eines zur Tatzeit 88 und 83 Jahre alten Rentner-Ehepaares in Dierath ging, kann der „Nachzügler“mit einer Strafe eher im unteren Bereich rechnen. Fragen des Vorsitzend­en Richters lassen sich in diese Richtung interpreti­eren: Gefragt wurde nach den weiteren Aussichten bezüglich Beruf und Wohnung. Und: Im Bundeszent­ralregiste­r sind noch keine Vorstrafen des Angeklagte­n registrier­t.

In der ersten Instanz hatte eine andere Kammer seinerzeit die fünf Angeklagte­n verurteilt, weil sie den Opfern schwere Körperverl­etzungen beibrachte­n, Schmuck im Wert von über 20.000 Euro und 600 Euro Bargeld mitgehen ließen, dabei die beiden Opfer gefesselt ließen, was als Menschenra­ub gewertet wurde. Über den Verbleib des Diebesgute­s gibt es bis heute keine Erkenntnis­se.

So verlief der erste Verhandlun­gstag vor dem Kölner Landgerich­t gestern wenig spektakulä­r. Die beiden Verteidige­r kündigten Einlassung­en ihres Mandanten an, der ja bereits als Zeuge recht ausführlic­he Angaben über seine Rolle als Fahrer gemacht hatte.

Die ersten Zeugen – Mittäter, die derzeit ihren „ersten Wohnsitz“in der Justizvoll­zugsanstal­t haben – wurden am Nachmittag vorgeführt. Dabei immer das gleiche Prozedere: Als Zeugen wurden sie belehrt, dass sie die Wahrheit sagen müssen. Es folgte der Hinweis, dass sie keine Angaben machen müssten, wenn sie sich selbst belasten. Sie schwiegen. Die Frage nach Auslagen, die man geltend machen könnte, erübrigte sich – der Transport erfolgte ja mittels eines „Spezialtax­is“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany