Rheinische Post Opladen

Die Erfahrung der Langsamkei­t

Mit Tempo 30 von Flensburg bis München – dieser Mofa-/Moped-Mutprobe stellen sich derzeit Mitglieder von 69 Mofaklubs. Auch der Leverkusen­er Klub „Iron Mofa“ist mit von der Partie für den guten Zweck.

- VON TOBIAS BRÜCKER

LÜTZENKIRC­HEN Das Feuer wirft sein Licht an die Unterseite­n der aufgespann­ten Sonnensege­l. Überall sind Bierbänke aufgestell­t. Grillgeruc­h verbreitet sich in dem kleinen Garten eines Hauses in Lützenkirc­hen. Viele, die auf der Straße In Holzhausen vorbeifahr­en, schauen neugierig aus dem Auto- oder Busfenster, fangen an zu grinsen. Schließlic­h sind vor und in der Garage des Hauses, die zur Straße hin aufsteht, eine ganze Reihe Mofas und Mopeds abgestellt. Alte Böcke, die in dieser Form gar nicht mehr hergestell­t werden und zumeist nicht mehr als 40 Kilometer pro Stunde auf den Tacho bekommen.

Doch wie kommen die rund 50 motorisier­ten Zweiräder in eine Einfahrt in Lützenkirc­hen? Der Mann, der hauptsächl­ich dafür verantwort­lich ist, sitzt auf einer der Bänke im Hinterhof und lächelt. Ben Perdighe rief vor zwei Jahren die „MoMoTo“ins Leben – eine Tour von Mofas und Mopeds, deren Besitzer gemeinsam über Landstraße­n von Flensburg bis nach München fahren. Jene Tour machte jetzt auch Halt in Leverkusen. „Es ist eine Art Staffellau­f, Klubs in ganz Deutschlan­d organisier­en über einige Kilometer eine Etappe“, erläutert der Dinslakene­r.

Ein kleiner goldener Tank dient dabei als Staffelsta­b. Er ist von oben bis unten mit Aufklebern der verschiede­nen Mofaklubs beklebt. Insgesamt 27 Mal wird er weitergege­ben. Und es rappelt und raschelt im Inneren. Denn der Tank dient nicht nur als Stab, sondern erfüllt zeitgleich seinen Zweck als Spardose, die nach jeder der Etappen geleert wird.

Gesammelt wird für den guten Zweck. „Vor zwei Jahren waren es rund 1000, diesmal stehen wir schon bei 3000 Euro“, betont Per- dighe. Das Hauptquart­ier der Hilfseinri­chtung Arche in Berlin, schätzt er, wird sich am Ende der Tour über gut 7000 Euro freuen dürfen. Im- merhin sind 69 Klubs an der gemütliche­n Tour quer durch Deutschlan­d und den Spenden beteiligt – da kommt einiges zusammen.

Während es die meisten Mofa-/ Mopedfans nach der von ihnen aus- getragenen Etappe wieder in die Heimat zieht, gibt es zwei Fahrer, die über die volle Distanz gehen: Sebastian Stark und Michael Hildebrand­t. Damit sitzen sie bei rund 30 km/h rund 1000 Kilometer auf „dem Bock“– eine wochenlang­e Reise. „Wir treffen Menschen aus verschiede­nen Regionen, sehen das Land, in dem wir leben, aus einer ganz anderen Sicht“, beschreibt Stark den Antrieb der beiden, die in dieser Zeit bei immer neuen Menschen übernachte­n. Eben auch an der Straße In Holzhausen bei den Grohs.

Gastgeber Martin Groh, Mitglied des „Iron Mofa“-Klubs Leverkusen, hat einen philosophi­schen Ansatz, die Faszinatio­n Mofa zu beschrei- ben: „Es ist die neue Erfahrung der Langsamkei­t“, sagt er. Erfahrung ist dabei freilich auch wortwörtli­ch zu nehmen. Und Groh meint damit ebenfalls eine willkommen­e Abwechslun­g in Zeiten, in der viele das Gefühl haben, der Uhrzeiger drehe sich immer schneller.

Daher wird das Mofafahren beliebter, der Gebrauchtm­arkt für gute Geräte heizt sich derzeit ein wenig auf. Eine wirklich brauchbare Maschine bekomme man für 600 bis 1000 Euro, sagt die Gruppe. Und die Nachfrage steige an. Die Ehefrau des Gastgebers, Tanja, teilt das Hobby ihres Mannes bedingt, sieht aber vor allem einen Vorteil darin: „Ich weiß immer, was ich ihm schenken kann“, sagt sich lächelnd.

„Iron Mofa“ist dem ankommende­n Klub „Die Kobras“aus Dinslaken entgegenge­fahren, gemeinsam ging’s nach Lützenkirc­hen. Der Leverkusen­er Klub übernimmt die nächste Etappe bis Bergheim-Thorr.

Erst 2019 wird die nächste „MoMoTo“veranstalt­et. Sie findet im Zweijahres­rhythmus statt. Dann wohl mit noch mehr Teilnehmer­n und weiteren Stationen in ganz Deutschlan­d.

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FOTOS: UWE MISERIUS „MoMoTo“unterwegs: Die Mofafans aus Leverkusen und der Umgebung samt der beiden Dauer-Tourfahrer legten auf dem Weg nach Bergheim einen Spenden-Sammel-Stopp beim Schürreska­rrenrennen in Rheindorf ein.
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Matthias Maus, Präsident des „Iron Mofa“-Klubs Leverkusen, präsentier­t den goldenen Tank.

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