Experte bestätigt Effekt der Klingelstrategie
BERLIN Das Saarland bildete den entscheidenden Testlauf für den professionalisierten Haustürwahlkampf der CDU. Amtsinhaberin Annegret Kramp-Karrenbauer blieb zwar ihrer Linie treu, holte auch unentschlossene Wähler mit ihrem Eintreten gegen türkische Referendums-Werbeveranstaltungen. Doch zwei Wochen vor der Wahl stand Mitte März ein rot-roter Wahlsieg so gut wie fest. Es gab ein letztes Aufbäumen der CDU-Anhänger, sie klingelten an noch mehr Haustüren, dann an noch mehr, kamen schließlich auf 70.000 Kontakte – hatten damit im kleinen Saarland jeden zehnten Wahlberechtigten persönlich aufgesucht. Ob nun die Aussicht auf Rot-Rot die Wähler umentscheiden ließ oder eben die direkte Ansprache, wird letztlich nicht zu klären sein. Jedenfalls setzte die CDU dann auch in Schleswig-Holstein und NRW noch mehr als je zuvor auf den Haustürwahlkampf. Und gewann.
Experten unterstützen das Gefühl der Union. Die „interpersonale An- schlusskommunikation“, so der Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte, zur „Klingelstrategie“, führe nachprüfbar sowohl zu mehr politischem Wissen und fördere das politische Engagement. Eindeutig sei belegt, dass die Wahlbeteiligung bei denjenigen steige, die von den Wahlkämpfern angesprochen wurden. Von zentraler Bedeutung sei freilich, wo geklingelt werde. Diese „Laienkommunikation“wirke vor allem bei denjenigen, die schon zum eigenen Lager gehörten. „Wer gezielt vermeintliche An- hänger besucht, sichert die Mobilisierung“, so Kortes Fazit.
Im Grunde gehört bei allen Parteien der Haustürwahlkampf zu den klassischen Instrumentarien. Die Professionalisierung bei der CDU hat die anderen Parteien nun jedoch bewogen, ebenfalls an dieser Stelle mehr zu tun. Selbst die Linken setzen eine eigene App dafür ein, um ihre Aktivitäten zu koordinieren. Alle Parteien achten inzwischen vor allem darauf, die Bezirke zu meiden, in denen vermehrt Wähler anderer Parteien vermutet werden. Hubertus Heil Generalsekretär der SPD vorstellt, alles in sein Handy. Bei der SPD notieren sie ihre Eindrücke eher beiläufig. Eva Folta, die politische Ziehmutter von Hubertus Heil, für die er mit damals 21 Jahren den Wahlkampf leitete, sagt: „Wir sind schon 1994 von Tür zu Tür gezogen.“In Niedersachsen nix Neues.
Der Normalbürger trifft ja eher selten auf Spitzenpolitiker. Er sieht sie im Fernsehen, nicht in seinem Vorgarten. Wenn diese starre Regel durchbrochen wird, muss also eine Wahl anstehen. Es ist ein charmantes Experiment: Was geschieht, wenn ein Politprofi aus der Berliner Käseglocke der deutschen Alltagswirklichkeit begegnet? Es heißt doch, das ist eine andere Welt da in Berlin. Warum knallt es dann nicht, wenn Politik auf Wirklichkeit trifft? Vielleicht, weil es zu schnell geht, um zu verstehen, was da vor sich geht. Kaum eine Minute dauert ein Besuch im Durchschnitt: „Guten Morgen“, „Ach, wie nett“, „Schönen Tag noch“. Es ist ein Haustürgeschäft, wie früher, als der Staubsaugervertreter geklingelt hat.
64 Türen mit Peter Tauber, 68 Türen mit Hubertus Heil. Niemand haut den Generalsekretären die Tür vor der Nase zu. Keine Diskussion über Nebeneinkünfte, das Rentenprogramm oder sozialen Wohnungsbau. Bei Facebook hagelt es Hasskommentare, im Vorgarten viele Grüße. Ein Rentner in Ratingen sieht Peter Tauber, hält sich die Hand vor den Mund, und braucht ein paar Augenblicke, bis er sagt: „Sie sind ja der aus dem Fernsehen.“Heiterkeit, ein Foto, dann muss Taubers Tross weiter. Die App braucht Daten.
Die CDU-App zeigt eine durchmischte Bilanz am Abend, die Potenzialanalyse war nicht ganz treffend. Neutrale Smileys reihen sich aneinander, die Gleichgültigen sind obenauf. Die SPD-Bilanz: Viele Menschen, die sich bei Hubertus Heil für den Besuch bedanken, ein zufriedener Generalsekretär, und ein Mann in Unterhose, der sagt: „Meine Stimme haben Sie.“