Ein Mann mit Visionen
Dem revolutionären Denker Karl Marx widmet Arte heute einen Themenabend. Vor 200 Jahren wurde er geboren.
BERLIN (dpa) Für viele Menschen stellt Karl Marx eine wenig greifbare Größe dar. Seinem Leben und seiner Bedeutung geht das Dokudrama „Karl Marx – der deutsche Prophet“nach, das heute auf Arte und am Mittwoch im ZDF zu sehen ist. Um 21.45 Uhr läuft bei Arte zudem die Dokumentation „Karl Marx und seine Erben“von Peter Dörfler. Anlass für den Themenabend ist der 200. Geburtstag von Marx.
Umstritten war Karl Marx schon zu Lebzeiten. Als was wäre er wohl gern bezeichnet worden: Denker, Journalist, Ökonom, Philosoph, Prophet, Revolutionär oder Visionär? Vermutlich war er alles zugleich, ein Phänomen sowieso, und darüber hinaus natürlich ein Familienvater. Allerdings ein schlechter, wie der Film zeigt.
Der junge und verwöhnte Karl Marx (Oliver Posener) hatte eigentlich nie genug Geld. Von seinen Schriften konnte er nicht leben, und die Heirat mit der vier Jahre älteren Adligen Jenny von Westphalen (Martina Delisová) half ihm in dieser Hinsicht nicht weiter, denn auch sie konnte nicht mit Geld umgehen. Das Paar bekam sieben Kinder, von denen nur drei Töchter das Kindesalter überlebten, darunter Eleanor (Sarah Hostettler), die als Erzählerin fungiert. Das lag auch an den prekären Verhältnissen, in denen die Familie leben musste – Hunger, Kälte und Krankheiten machten ihr zu schaffen. Eine (kaum bezahlte) Haushälterin gab es trotzdem: Lenchen (Nina Petri) hatte sogar einen lange verheimlichten Sohn vom Hausherrn.
Das allerdings gilt bis heute als nicht zweifelsfrei überliefert. Seine ständige Geldnot hingegen schon, so dass der meist kränkelnde Marx im Grunde nicht in der Lage war, seine Familie zu ernähren. Hätte ihm nicht sein vermögender Freund Friedrich Engels (Lutz Blochberger) – mit dem er 1848 das „Manifest der Kommunistischen Partei“schrieb – finanziell unter die Arme gegriffen, hätte er es nicht geschafft. Selbst der ältere und später staatenlose Marx (Mario Adorf) musste bei seiner Bank um Geld betteln.
Natürlich ist der Film ganz auf Mario Adorf (87) zugeschnitten, der sich mit dieser Rolle einen langgehegten Wunsch erfüllt. „Marx ist noch aktueller als zu seinen Lebzei- ten“, sagte Adorf. „Der Zustand der Welt ist noch viel dramatischer als damals, als es um die Schicksale der ausgebeuteten Arbeiter ging. Heute geht es global um das Unverhältnis von Arm und Reich.“
Adorf äußerte zudem Zweifel an der Darstellungsform: „Das Dokudrama ist gewöhnungsbedürftig, weil sich beim Zuschauen die dokumentarischen und fiktionalen Teile zwar besser erklären, sich aber oft auch gegenseitig stören und enttäuschen können.“Ein Spielfilm wäre mitsamt der im Anschluss laufenden Dokumentation tatsächlich anschaulicher gewesen.
Zwar bietet das Dokudrama von Regisseur Christian Twente („Das Luther-Tribunal“) nicht allzu viel Tiefgang oder Neues, ist aber durchsetzt mit historischen Aufnahmen und Stellungnahmen von Historikern und Finanzexperten. Es lebt aber vom charismatischen Spiel Adorfs, der den 63-jährigen Marx als sanften, verschmitzten älteren Herrn zeigt, dessen Gedanken („Das Kapital schwillt hier in einer Hand zu großen Massen“) auch heute von einer geradezu erschreckenden Aktualität sind.
Marx stellte die richtigen Fragen, sprach einst von einer „Verschlingung aller Völker in das Netz des Weltmarktes“und meinte damit visionär vermutlich das, was wir heute Globalisierung nennen. „Karl Marx – der deutsche Prophet“, Arte, Sa., 20.15 Uhr