Der HSV lebt – noch
Eine Erkenntnis aus der Bundesliga-Saison, die Samstag endet: Der Niedergang der Hamburger hält an.
DÜSSELDORF Mit Rettungen auf den letzten Drücker kennen sie sich aus beim Hamburger SV. 2014 überstand das Gründungsmitglied der Bundesliga die Relegationsspiele gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth, ohne eine der beiden Begegnungen gewonnen zu haben. Ein 1:1 im Auswärtsspiel reichte nach dem torlosen Unentschieden daheim. Ein Jahr darauf zitterten sich die Hamburger gegen den Karlsruher SC in den Entscheidungsspielen zum Klassenerhalt. Und vergangenes Jahr bedeutete der Treffer von Luca Waldschmidt zum 2:1 gegen den VfL Wolfsburg zwei Minuten vor Schluss des letzten Saisonspiels die Rettung. In die Relegation musste das VW-Werksteam. Wenn also noch etwas Tradition hat beim deutschen Meister von 1923, 1928, 1960, 1979, 1982 und 1983, dann ist es der Abstiegskampf.
Dieser Tradition ist der HSV treu geblieben. Ob es aber erneut ein Happy End auf der Zielgeraden oder in der Verlängerung der Saison gibt, ist fraglich. Mehr als die Relegation ist schon jetzt nicht mehr drin. Und sogar dafür reicht nicht einmal ein Sieg gegen Borussia Mönchengladbach. Der VfL Wolfsburg müsste zur gleichen Zeit gegen Köln verlieren. Dieses Szenario halten nicht einmal die Kenner aus der zweiten Liga für wahrscheinlich. Scouts des Zweitliga-Dritten Holstein Kiel haben Wolfsburg bereits beobachtet, weil der Meister von 2009 als wahrscheinlicher Gegner in den Entscheidungsspielen gilt.
Spannend wird das letzte Wochenende der Saison nicht nur am Ende der Tabelle, wo selbst Freiburg bei ungünstigem Ausgang noch auf den Relegationsrang stürzen kann. Auch auf den Rängen drei bis neun ist ein munteres Wechselspiel möglich. Schalke 04 hat sich den Platz hinter dem Abo-Meister Bayern München gesichert. Dahinter können Dortmund, Hoffenheim, Leverkusen und Leipzig die ChampionsLeague-Plätze erreichen. Das Team des Getränkekonzerns Red Bull kann allerdings auch noch tief stürzen. Bei einer Leipziger Niederlage in Berlin können Frankfurt (auf Schalke) und Stuttgart (in München) durch Siege vorbeiziehen. So- gar Rang neun ist möglich, wenn Gladbach in Hamburg gewinnt und den Rückstand in der Tordifferenz (-4) auf RB aufholt. Die Mönchengladbacher selbst können im günstigsten Fall auf den sechsten Platz springen – das wäre eine kleine Sensation angesichts dessen, was die Borussia über weite Strecken der Rückrunde abgeliefert hat.
Es ist eine kleine Ironie dieser Fußballgeschichte, dass ausgerechnet beim Klub mit den geringsten Chancen auf einen einigermaßen positiven Saisonabschluss die Laune am besten ist. Die Hamburger Fans, die auch ganz anders können, feierten ihr Team nach dem unglücklichen 0:3 in Frankfurt. Und Trainer Christian Fitz beteuert: „Wir sind zwei Punkte hinten dran. Aber im Fußball ist unglaublich viel möglich. Im eigenen Stadion, mit der Wucht der Fans, haben wir durch- aus reelle Chancen, dass wir unser Heimspiel gewinnen können.“Dass es trotzdem nicht reichen könnte, scheint ihn nicht zu beschäftigen.
In einer inzwischen furchtbar genügsamen Liga ist die Spannung bei den Wettbewerben um die europäischen Startplätze und gegen den Abstieg das, was Fußball-Deutschland am Leben erhält. Die Meisterfrage ist seit Jahren offenbar vor dem ersten Spieltag bereits entschieden. Ziemlich bereitwillig haben die einstigen Mitbewerber Bayern München das Feld überlassen. Seit 2012/13 geht es für die Münchner in der nationalen Spielklasse nur noch darum, eigene Rekorde im Abstand zu den anderen Teams zu verbessern. Der einst so kühne Spruch des Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß, die Konkurrenz werde bald ein Fernglas benötigen, um die Münchner an der Spitze überhaupt noch zu entdecken, ist längst trübe Wirklichkeit. 24 Punkte liegt der Meister nach 33 Spielen diesmal vor dem Rest der deutschen Eliteliga.
Dessen Klasse offenbarte sich in frühzeitigem Ausscheiden aus den internationalen Wettbewerben. Dortmund wurde dem Anspruch, die Bayern zumindest mal jagen zu können, nicht gerecht. Und Leipzig, das voriges Jahr als neuer Herausforderer gehandelt wurde, muss feststellen, dass die Luft dünner wird, wenn die Konzentration mehr als einem Wettbewerb gilt. Darüber hinaus ist das Offensivsystem der Leipziger in weiten Teilen entschlüsselt. Die Konkurrenz begnügt sich mit Fünfer-Abwehrketten, defensiver Spielanlage und Konterangriffen. Das hat die Attraktivität des deutschen Vereinsfußballs in dieser Saison nicht gesteigert und ist allemal ein schlechtes Zeichen.