Der Entfesselte
WASHINGTON Nichts, aber auch gar nichts scheint die gute Laune Donald Trumps trüben zu können. Mögen die Europäer mit seinem Ausstieg aus dem Iran-Abkommen hadern, er selber lässt nicht einmal einen Anflug von Selbstzweifeln erkennen. Vielmehr genießt er den Wirbel, den er verursacht hat. Zu beobachten ist derzeit ein Mann, an dem Kritik einfach abprallt. Trump glaubt die richtige Taktik im Umgang mit Ländern gefunden zu haben, die sein Vorvorgänger George W. Bush einst in die Schublade der Schurkenstaaten sortierte. Er hofft, sie durch eine kompromisslose Demonstration amerikanischer Macht in die Knie zu zwingen. Frieden durch Stärke nennt er das.
Am Tag nach seinem Iran-Paukenschlag griff er allen Ernstes auf, was 18 republikanische Kongressabgeordnete mit dem förmlichen Antrag, ihm den Friedensnobelpreis zu verleihen, in die Debatte geworfen hatten. „Jeder glaubt das, ich aber würde das niemals sagen“, antwortete er auf die Frage, ob er die Auszeichnung verdiene. „Der Preis, den ich will, ist ein Sieg für die Welt.“In wenigen Tagen, wenn die vorerst nur symbolisch von Tel Aviv nach Jerusalem verlegte US-Botschaft in Israel eröffnet wird, wird er den nächsten Alleingang Amerikas zelebrieren. Danach will er entscheiden, was mit der Nafta geschehen soll, der Freihandelszone mit den Nachbarn Kanada und Mexiko. Und am 12. Juni, beim Treffen mit Kim Jong Un in Singapur, hofft er in einem Husarenstreich ein Problem zu lösen, an dem sich drei seiner Vorgänger im Weißen Haus die Zähne ausgebissen haben. Er möchte als derjenige Präsident in die Geschichtsbücher eingehen, der einen Schlusspunkt unter die Atompläne Nordkoreas setzte.
Trump spottet schon jetzt über jene, die nach seinen Drohungen an die Adresse des „kleinen Raketenmanns“die Apokalypse heraufziehen sahen. „Erinnert ihr euch noch daran, wie die Fake-News-Medien gesagt haben, er wird uns in einen Nuklearkrieg führen?“, rief er seinen Anhängern auf einer Kundgebung in Elkhart, Indiana zu. „Und wisst ihr, was euch in einen Nuklearkrieg führt? Schwäche. Einzig und allein Schwäche.“
Trump knüpft genau dort an, wo er am Ende des Wahlkampfs aufgehört hat, genauso rabiat, als seien die ersten 15 Monate im Oval Office nur eine Aufwärmphase gewesen. In seiner Weltsicht ist Amerika jahrzehntelang über den Tisch gezogen worden, und was sein Vorgänger Barack Obama aushandelte, orientierte sich mehr an den Interessen anderer Nationen als an denen der eigenen. Ergo stellt er das Vertragsgeflecht, in das die USA eingebunden sind, weitgehend infrage, um mit maximalem Druck bessere Deals zu erzwingen. Das hat er in Worten schon immer getan, nur bestimmt es seit dem Frühjahr, resoluter als zuvor, auch sein tägliches Handeln. Mark Dubowitz, Chef der Foundation for Defense of Democracies, eines neokonservativen Thinktanks, spricht von einer Strategie höchsten Risikos. „Sie kann zu großen Erfolgen führen. Oder aber grandios scheitern.“Leon Panetta, unter Obama Verteidigungsminister und CIA-Direktor, sieht dagegen einen Mann am Werk, der mit der Abrissbirne demoliert, was ihm missfällt, ohne zu wissen, was aus den Trümmern entstehen soll. Das Resultat sei ein einziges Chaos.
Da es in seinem Kabinett zusehends an Bremsern mangelt, gibt es nicht mehr viel, was den Präsidenten aufhalten würde. In seinem ersten Amtsjahr war das noch anders. Zwar verabschiedete er sich aus dem Pariser Klimavertrag und der Transpazifischen Handelspartnerschaft, doch meist hörte er auf den Rat vorsichtiger Strategen, die ihn ins Korsett einer konventionell konservativen Außenpolitik zu zwängen versuchten. Er stockte das Truppenkontingent in Afghanistan auf, hielt am Iran-
„Und wisst ihr, was euch in einen Nuklearkrieg führt? Schwäche. Einzig und allein Schwäche“
Donald Trump