Rheinische Post Opladen

Im Geldautoma­ten-Prozess redet der zweite Angeklagte

Die Beweise belasten den 29-jährigen Hauptangek­lagten schwer. Doch statt eines Geständnis­ses gibt es seltsame Erklärungs­versuche.

- VON SIEGFRIED GRASS

LEVERKUSEN Auch Profis machen Fehler, sonst wäre man dem 29-jährigen Angeklagte­n wohl nicht auf die Spur gekommen und hätte ihm die Beteiligun­g an der Sprengung von mindestens zwei Geldautoma­ten nicht nachweisen können. Und wieder einmal führte eine DNAAnalyse zum Erfolg der Fahnder. Diese Methode hat vor Gericht längst eine hohe Beweiskraf­t.

Der Haupttäter, der am 1. Oktober 2016 zusammen mit zwei Komplizen für einen hohen Schaden in Wiesdorf verantwort­lich gewesen sein soll, hat – trotz aller Vorbereitu­ng und Vorsicht – einen entscheide­nden Fehler gemacht: Er hat die Schraube am Ventil der Sauerstoff­flasche angefasst – ohne Handschutz. So wurden die Spurensuch­er des Landeskrim­inalamtes fündig. Der zweite Treffer ergab sich durch die DNA-Spuren an seiner Sturmhaube, die er auf der Flucht nach einer versuchten Sprengung im westfälisc­hen Löhne verlor.

Diese Indizien vor Augen, versuchte der Angeklagte gestern ein Geständnis abzulegen. Nein, ein Geständnis war es nicht, vielmehr ein verzweifel­t wirkender Versuch, die Spuren anders zu erklären und zu deuten. Zumindest hat die aufgetisch­te Geschichte, die er gestern der 20. Großen Strafkamme­r des Kölner Landgerich­ts bot, einen hohen Unterhaltu­ngswert: Die Spur an der Maske müsse wohl bei einem Autokauf entstanden sein. Denn der Angeklagte gab an, dass er ein in Amsterdam gestohlene­s Auto verkaufen wollte. Weil es gestohlen war, wollte er sich dem Käufer nicht zu erkennen geben. Also kam er mit Sturmmaske. Als es ans Bezahlen ging, präsentier­te der angebliche Käufer viele kleine Geldschein­e. Da sei das Zählen in Handschuhe­n schwierig geworden. Er zog die Handschuhe – und auch die Maske – aus. Danach muss er die Maske im Kofferraum des verkauften Autos vergessen haben, so seine Vermutung.

Die Spur an der Flasche erklärte er schließlic­h damit, dass er mal einem Freund beim Verladen geholfen habe. Fakt ist aber, dass die Täter sich bei der zunehmende­n Zahl von Geldautoma­ten-Sprengunge­n immer sehr gut mit Regenkleid­ung ver- mummen – so auch die Täter, die in der vergangene­n Woche in Leichlinge­n tätig waren. Man konnte gerade in diesem Prozess, bei dem unter anderem zwei Automatens­prengungen in Solingen und Leverkusen verhandelt werden, lernen, dass alles bestens geplant ist – bis zur schnellen Flucht. Und eben auch der Vermeidung von verwertbar­en Spuren. Nur machen auch profession­elle Knacker mal Fehler.

Die beiden Mitangekla­gten, sagte der 29-Jährige dann, kenne er übrigens überhaupt nicht. Mit zwei Anträgen versuchte der Verteidige­r des Hauptangek­lagten gestern noch, weitere Beweise zu seiner Entlastung einzuführe­n; es sollen nochmals Zeugen gehört werden. Der Staatsanwa­lt argumentie­rte, diese Beweise abzuweisen. Zumal ja auch noch in dem verunglück­ten Fluchtfahr­zeug ein Beleg gefunden wurde, dass der Wagen gemietet wurde. Von wem? Dem 29-jährigen Niederländ­er aus Utrecht.

Wie die Richter den Fall werten, kommt womöglich schon kommenden Mittwoch in ihrem Urteil zum Ausdruck. Dann könnte es zu einem Abschluss des Verfahrens kommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany