Höxter: Gutachterin empfiehlt Psychiatrie für Angeklagten
PADERBORN (hsr) Der Angeklagte im Mordprozess um die tödlichen Misshandlungen in einem Haus in Höxter ist nach Einschätzung einer Gutachterin nur vermindert schuldfähig. „Er beurteilt, besonders wenn er unter Druck steht, Dinge komplett falsch“, sagte die forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh am Dienstag bei der Vorstellung ihres ersten Gutachtens im Landgericht Paderborn. Was eine Misshandlung sei, habe er nicht beantworten können. Seiner Meinung nach sei es keine Straftat, wenn eine Frau an eine Heizung angekettet würde. Wilfried W. verfüge über keinerlei moralisches Urteilsvermögen.
Nach 20 Monaten geht der Prozess um die Verbrechen auf dem Hof in Ostwestfalen nun mit den psychiatrischen Gutachten in seine Endphase. Angelika und Wilfried W. sollen mindestens sechs Frauen auf ihrem Hof gedemütigt und schwer misshandelt haben, Anika W. (33) und Susanne F. (41) überlebten das Martyrium nicht. Im Prozess beschuldigen sich beide gegenseitig, bei den Taten die treibende Kraft gewesen zu sein.
Laut Saimeh hat Wilfried W. einen Intelligenzquotienten von 59 und liegt damit „deutlich unter dem Durchschnitt“. Im wissenschaftlichen Sinne sei das als Schwachsinn zu bezeichnen, sagt Saimeh. Dass auch er gewalttätig war, haben die Zeuginnen im Prozess gesagt. Das wird er nach Überzeugung der Gutachterin immer dann, wenn er seine Impulse nicht mehr kontrollieren kann, weil er in einer Situation überfordert ist. Der erste psychiatrische Sachverständige Michael Osterheider hatte W. in einem vorläufigen Gutachten als voll schuldfähig eingestuft – dem widerspricht Saimeh. Sie sieht zum einen eine große Wiederholungsgefahr bei W., wenn er erneut eine Partnerin findet, die mit ihm sein „bizarres System“von Beziehung lebt – zweimal ist ihm das immerhin schon gelungen. Saimeh sieht W. eher in einer psychiatrischen Anstalt als im Gefängnis.
Am Mittwoch stellt sie das Gutachten für Angelika W. vor. Die ritualisierten Misshandlungen der Frauen könne nur begreifen, wer die Verbindung der beiden in den Blick nehme, sagt Saimeh.