Tausende Tote im „Drogenkrieg“der Philippinen
Seit dem Amtsantritt von Präsident Duterte vor zwei Jahren werden immer mehr Menschen umgebracht – alles „Drogenkriminelle“, wie dieser behauptet.
MANILA (kna) Bürgermeister Antonio Halili von Tanauan City sang am Montag bei einer Flaggenzeremonie vor dem Rathaus gerade die Nationalhymne „Lupang Hinirang“, als ein Scharfschütze den Politiker mit einem einzigen Schuss in die Brust ermordete. Der Bürgermeister stand auf Dutertes „Narco-Liste“. Darauf sind die Namen von Kommunalpolitikern vermerkt, die in den Drogenhandel verwickelt sein sollen.
Halili hatte sich in der Öffentlichkeit allerdings einen Namen als rigoroser Kämpfer gegen Drogen gemacht. Verhaftete angebliche Drogenkriminelle stellte er öffentlich an den Pranger, ließ sie auf einem „Weg der Schande“durch die Stadt marschieren. Alles nur Fassade, tönte jedoch Duterte nach dem Tod Halilis. Der Getötete habe insgeheim Geschäfte mit der Drogenmafia gemacht.
Halili ist nicht der erste Lokalpolitiker, der in Dutertes „Drogenkrieg“umgebracht wurde. Aber Regierungskritiker, Umweltschützer, Bürgerrechtler und Aktivisten gegen Landraub durch Plantagenund Bergbaumultis leben auf den Philippinen gefährlich. Selbst vor Priestern machen die Auftraggeber der Attentate nicht Halt, wie die Ermordung von drei katholischen Klerikern in diesem Jahr zeigte. Die Philippinen gelten weltweit als eines der gefährlichsten Länder für Dissidenten.
Das in der vergangenen Woche gestartete Online-„Drogenarchiv“der katholischen Universitäten Ateneo und De La Salle auf den Philippinen und der Journalistenschule der Columbia-Universität in New York dokumentiert nach eigenen Angaben alle „öffentlich verfügbaren Informationen über Morde im Zusammenhang mit der Antidrogenkampagne“. Über die Toten hat das Projekt in einer ersten Studie herausgefunden, dass es vor allem Männer aus der armen Arbeiterschicht sowie Kleindealer sind. 40 Prozent der Tötungen seien in Manila begangen worden.“
Mehr als 25.000 Menschen könnten seit der Vereidigung Dutertes zum Präsidenten der Philippinen am 30. Juni 2016 im „Drogenkrieg“der Regierung getötet worden sein, heißt es auf der Website des „Drug Archive“. Täter seien Polizisten sowie frei operierende Todesschwadronen. Die Polizei habe nach eigenen Angaben zwischen dem 1. Juli 2016 und dem 21. Mai dieses Jahres 4270 Menschen getötet. „Dazu kommen in diesem Zeitraum 22.983 Todesfälle, die im Zusammenhang mit Drogen stehen könnten“, so die Experten. Die unklare Datenlage sei auf das undurchsichtige Datenerhebungssystem der Regierung zurückzuführen. Präsidentensprecher Harry Roque zieht die Daten der katholischen Unis in Zweifel: „Was die Toten angeht, so stelle ich nicht infrage, dass sie zu den Armen gehören“, sagte der ehemalige Menschenrechtsanwalt. „Aber die eigentliche Frage lautet, ob sie im Drogenkrieg ermordet wurden.“
Hart und rüde geht Duterte zudem seine Kritiker an, gleich ob es sich um Bischöfe, Regierungschefs anderer Staaten oder Institutionen wie die EU handelt. „Hurensöhne“ist in diesem Zusammenhang ein gern und häufig genutztes Schimpfwort des „Trump der Philippinen“, wie er mitunter genannt wird.
Mit dem vorlauten Statement „Gott ist dumm“und dem Vorwurf an die katholische Kirche, an einem Komplott zum Sturz der Regierung beteiligt zu sein, hat Duterte seinen Konflikt mit den Bischöfen in den vergangenen Tagen weiter verschärft. Jetzt sollen die Wogen am Montag bei einem Treffen zwischen Duterte und dem Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz der Philippinen, Erzbischof Romulo Valles, geglättet werden. Das Morden geht derweil weiter. Am Dienstag wurde ein weiterer Bürgermeister erschossen.