Rheinische Post Opladen

Wettlauf gegen die Zeit

Nach Verletzung trainiert Konstanze Klosterhal­fen wieder. Aber reicht es für einen Start bei der EM ab 6. August in Berlin?

- VON BERTHOLD MERTES

BONN/ST. MORITZ Sie läuft. Endlich wieder. Konstanze Klosterhal­fen hat eine schwere Zeit hinter sich. Wochenlang musste sie das unterlasse­n, was sie am liebsten tut. Das Laufen. Die erste Verletzung ihrer Karriere brachte die deutsche Meisterin über 1500 und 3000 Meter in ihrer Vorbereitu­ng auf die Leichtathl­etik-Europameis­terschafte­n (6. bis 12. August in Berlin) zwischenze­itlich arg aus dem Rhythmus. Die Knie der 21-Jährigen vom TSV Bayer 04 Leverkusen machten nicht mehr mit. Erst streikte das rechte, weniger später das linke.

Inzwischen ist das größte deutsche Lauftalent wieder fast auf der Höhe. Und aktuell auch in der Höhe: „Ich fühle mich sehr wohl in Sankt Moritz und freue mich, dass ich endlich wieder laufen kann“, berichtet Klosterhal­fen, die seit dem 21. Juni die Zahl ihrer roten Blutkörper­chen in der dünnen Bergluft nach oben treibt – geplant ist der Höhenaufen­thalt bis zum 12. Juli. Für Mittel- und Langstreck­enläufer der Extraklass­e ein Muss in der Vorbereitu­ng auf die Saisonhöhe­punkte.

Neue Pläne hat sie mit ihrem Bonner Trainer Sebastian Weiß geschmiede­t und eine Grundsatze­ntscheidun­g getroffen. „Wir haben uns festgelegt: Koko läuft die 5000 Meter“, sagt Weiß mit Blick auf die EM. Bedeutet den Abschied von der 1500-Meter-Distanz als Hauptstrec­ke. Und, dass sie bei den deutschen Meistersch­aften am 22. Juli in Nürnberg über die zwölfeinha­lb Stadionrun­den antreten wird. Dort will die Leverkusen­er Topathleti­n die EM-Qualifikat­ionsnorm (15:40,0 Minuten) abhaken – und zu den Top Drei zählen, die das EM-Ticket lösen. Eigentlich sollte das für sie angesichts ihrer läuferisch­en Qualitäten kein Problem sein – sofern das Training nach einer vierwöchig­en strikten Laufpause im Mai anschlägt wie erhofft. Auf jeden Fall ist es ein Wettlauf mit der Zeit.

Eine typische Läuferverl­etzung war es, die Klosterhal­fens Training insgesamt fast acht Wochen lang stark beeinträch­tigte: das sogenannte Läuferknie („runner‘s knee“). Die Symptome sind Schmerzen an der Außenseite des Kniegelenk­s, Ursache ist meist eine Überlastun­g der Sehnenplat­te am Knie. Phasenweis­e durfte sie nur im Wasser trainieren, sich mit Aquajoggin­g fit halten – ein paar Tage lang sogar nur mit Kraulschwi­mmen.

Kein Wunder, dass die 21-Jährige derzeit ungerne Blicke in ihr Innenleben gestattet, denn bisher kannte die U23-Europameis­terin keine Verletzung. Eilte von Rekord zu Rekord. Beeindruck­te bei den großen Titelkämpf­en mit Tempovorst­ößen, die ihr ganzes Potenzial offenlegte­n. Bei der WM 2017 in London kostete ihr Mut sie noch die mögliche Finalteiln­ahme, bei der Hallen-WM 2018 war sie als Siebte über 3000 Meter mittendrin in der Weltspitze. Man kann nur ahnen, wie es während der Verletzung­sphase in der ehrgeizige­n Bockerothe­rin ausgesehen hat – Frohsinn ist anders. „Wir müssen das Positive aus der Verletzung ziehen. Wir haben die Zeit genutzt, an ein paar Dingen zu arbeiten“, sagt Weiß: „An Dingen, die wichtig sind mit Blick auf die kommenden Jahre: koordinati­ve Dinge, zum Beispiel etwas aufrechter zu laufen.“

Der Abschied von den 1500 Metern als Hauptstrec­ke hatte sich schon länger angedeutet. Ausschlagg­ebend sind die überragend­en Ausdauerfä­higkeiten der zweimalige­n Cross-Junioreneu­ropameiste­rin. „Bei der Saisonplan­ung stand die Strecke schon im Raum“, erklärt ihr Trainer: „Mit ihrer Geschwindi­gkeit, die sie als bisherige 1500-Meter-Spezialist­in mitbringt, kann sie hintenraus über 5000 Meter gut aussehen.“

Klar ist, dass die überragend­e Zeit von 14:51,38 Minuten, mit der sich Klosterhal­fen 2017 an fünfter Stelle der europäisch­en Bestenlist­e einreihte, für die EM noch nicht der Maßstab ist. Noch nicht. „Wir machen alles Schritt für Schritt und schauen, wie sich das entwickelt“, sagt Weiß. Und Klosterhal­fen? „Ich genieße jedes Training.“Schmunzeln­d schildert sie ihre Ausdauerlä­ufe in den Schweizer Bergen, die sie an ihren Heimatort im Siebengebi­rge denken lassen: „Zwischen den ganzen Porsches und den teuren Geschäften von Sankt Moritz erinnern mich die Bauernhöfe und Traktoren an unser schönes Bockeroth.“Vor der Bergkuliss­e macht sie wieder ihr Ding. Sie läuft. Endlich wieder.

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