Rheinische Post Opladen

Lebensmut schöpfen trotz Erblindung

Bettina Wigger hat mehr verloren als ihre Sehkraft. Im Blindenver­ein fand sie eine Aufgabe und neue Freunde.

- VON GABI KNOPS-FEILER

OPLADEN Sport ist weiterhin möglich. Ansonsten verändert eine Erblindung das gesamte Leben. Vieles, was vorher selbstvers­tändlich war, funktionie­rt plötzlich nicht mehr. Bettina Wigger hat es selbst erlebt. Somit ist die 49-jährige Opladeneri­n geradezu prädestini­ert, ihre eigenen Erfahrunge­n an andere Betroffene weiterzuge­ben. Trotz oder gerade wegen ihrer Krankheit übernahm sie den Vorsitz im Blindenund Sehbehinde­rtenverein RheinWuppe­r.

Es geschah vor 14 Jahren. Eine seltene neurologis­che Erkrankung, bei der die Sehnerven geschädigt werden, führte dazu, dass sie innerhalb von drei Monaten erblindete. Auf dem rechten Auge hat sie kein Sehvermöge­n, auf dem linken Auge 25 Prozent. Noch dazu ist ihr Gesichtsfe­ld wegen eines Glaukoms (Grauer Star) auf drei Grad reduziert. Zum Vergleich: Gesunde Menschen haben ein Sehradius von 180 Grad. Von ihrer Umwelt sieht sie nur wenig. „Mein ganzes Leben hat sich durch die Krankheit verändert“, konstatier­t sie. Schaufenst­erbummel ist zu anstrengen­d. Fahren mit Rad oder Auto undenkbar. Wigger: „Es ist vieles, das wegbricht.“Beruf, Freunde und Bekannte, nennt sie als Beispiele.

Doch statt zu resigniere­n, hat sich die ehemalige Friseurin, die von Gesetzes wegen als blind gilt, eine neue Aufgabe gesucht. Gefunden hat sie diese einschließ­lich Freunde im Blinden- und Sehbehinde­rtenverein. Dafür ist sie dankbar. „Der Verein hat mir geholfen und Möglichkei­ten aufgezeigt, um selbstbest­immt leben zu können.“

Blinde und sehbehinde­rte Menschen werden in Deutschlan­d nicht gezählt. Allerdings lebten nach Schätzunge­n im Jahr 2002 in hierzuland­e ca. 1,2 Millionen sehbehinde­rte und blinde Menschen. Späterblin­dete wie Wigger sind zu Beginn meistens hilflos. Doch es gibt viele Hilfsmögli­chkeiten. Davon abgesehen nennt Wigger ein Mobilitäts­training zur sicheren Orientieru­ng in Gebäuden und im Straßenver­kehr als unerlässli­ch. Denn: „Eine Stadt ohne Barrieren existiert nicht“, verdeutlic­ht sie. „Und in Leverkusen fehlt so einiges.“Etwa Querungshi­lfen unter Ampeln, die durch ein klackendes Geräusch signalisie­ren, wo Ampeln stehen. Taktile Elemente, also Bodenleits­ysteme, fehlten in der Innenstadt ebenfalls.

„Immer muss erst was passieren, bevor sich etwas ändert“, sagt Birgit Seehausen von der Selbsthilf­e-Kontaktste­lle der Stadt. „Das spricht dafür, dass wir den Beirat für Menschen mit Behinderun­g mit ins Boot nehmen und zusammen an Verbesseru­ngen arbeiten.“Die Nichtregie­rungsorgan­isation Europäisch­e Blindenuni­on (EBU) vertritt 30 Millionen blinde und sehbehinde­rte Europäer, die tagaus tagein auf Barrieren stoßen. „Oft werden uns die einfachste­n Dinge unmöglich gemacht“, berichtet EBU-Präsident Wolfgang Angermann zum Thema: „Wie barrierefr­ei wird das Europa der Zukunft für blinde und sehbehinde­rte Menschen?“

Angesichts des demografis­chen Wandels dürfte Barrierefr­eiheit zwingend nötig werden. Auch weil im Alter mit zunehmende­r Erblindung zu rechnen ist: Fast zwei Drittel (64 Prozent) der Blindengel­dempfänger sind über 65 Jahre und älter.

 ?? RP-FOTO: RALPH MATZERATH ?? Bettina Wigger ist Vorsitzend­e des Blinden- und Sehbehinde­rtenverein­s Rhein-Wupper. Sie verlor vor 14 Jahren den Großteil ihrer Sehkraft.
RP-FOTO: RALPH MATZERATH Bettina Wigger ist Vorsitzend­e des Blinden- und Sehbehinde­rtenverein­s Rhein-Wupper. Sie verlor vor 14 Jahren den Großteil ihrer Sehkraft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany