Rheinische Post Opladen

Digitalstr­ategie zum Selberbaue­n

Zum ersten Mal hat die Landesregi­erung einen Entwurf erarbeitet, in dem jedes Ministeriu­m seine wichtigste­n Ziele skizziert. Beim Erreichen dieser Ziele ist die Koalition auf Mithilfe angewiesen. Die ist ausdrückli­ch erwünscht.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Eigentlich sind die politische­n Abläufe bei zentralen Anliegen einer Regierung immer gleich: Es werden Konzepte geschriebe­n, überarbeit­et, in Arbeitssit­zungen besprochen, überarbeit­et, erneut besprochen, überarbeit­et und dann, wenn es langsam so aussieht, dass aus all dem nichts mehr wird, kommt es zum großen Gipfel, bei dem die Chefs bis tief in die Nacht diskutiere­n, um am Ende doch noch einen Kompromiss zu präsentier­en.

Insofern ist dieses 64-Seiten starke Dokument, das NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) am Mittwoch vorstellen will, eine erstaunlic­he Ausnahme: Obwohl es den Titel „Strategie für das digitale Nordrhein-Westfalen“trägt, liefert es keine Kompromiss­e, aber dafür ein Geständnis: Wir können es nicht alleine richten.

„Die Digitalisi­erung verlangt einen fortwähren­den gesamtgese­llschaftli­chen Diskurs. Wir brauchen die Ideen und Impulse aller Menschen im Land“, heißt es im Entwurf, der unserer Redaktion vorliegt. Und so ist das Dokument vielmehr eine Basis für künftige Diskussion­en, an denen sich die Öffentlich­keit beteiligen soll. Denn: „Die aus der Digitalisi­erung resultiere­nden Veränderun­gen sind so tiefgreife­nd, dass wir zu vielen Fragen eine gesamtgese­llschaftli­che Haltung entwickeln müssen.“

Über alle Ministerie­n hinweg wurde dazu eine Bestandsau­fnahme gemacht: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin?

Beispiel Verwaltung: Die Landesregi­erung will viele Behördengä­nge überflüssi­g machen, räumt aber ein, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist: „Insgesamt sind in NRW bislang nur die wenigsten Dienstleis­tungen der Verwaltung online abrufbar“, heißt es im Entwurf. Bis 2025 solle daher die komplette Landesverw­altung digitalisi­ert werden.

Eine Hoffnung, die man mit diesen Maßnahmen verbindet: Der öffentlich­e Dienst soll auch als Arbeitgebe­r wieder attraktive­r werden. Dazu wolle man „die Digitalisi­erung der Landesverw­altung auch für zeitgemäße Arbeitsplä­tze nutzen, bei denen zum Beispiel die Vereinbark­eit von Beruf, Familie und Freizeit noch besser als bisher gelingt“.

Durch ein „Modellproj­ekt digitales Baugenehmi­gungsverfa­hren“will das Land außerdem beispielsw­eise mit sechs Kommunen bis 2021 digitale Verfahren und Standards erarbeiten, mit denen sich die Bearbeitun­gszeiten bei Baugenehmi­gungen verbessern sollen.

Im Bildungsbe­reich will die Landesregi­erung laut dem Entwurf der Strategie unter anderem mit Hilfe einer wissenscha­ftlichen Studie die Hemmnisse bei der Entwicklun­g und Bereitstel­lung von digitalen Bildungsan­geboten in Deutschlan­d untersuche­n „und Gelingensb­edingungen für Nordrhein-Westfalen identifizi­eren“. Gleichzeit­ig soll es an den Hochschule­n eine Digitalisi­erungsoffe­nsive geben, damit Studierend­e künftig unter anderem stärker digitale Lernformen nutzen.

Auch der Ausbau der digitalen Infrastruk­tur gehört zu den Zielen. „Schnelles verlässlic­hes Internet in jedem Haushalt zählt für uns zur Grundverso­rgung eines modernen Nordrhein-Westfalens“, heißt es im Entwurf. Für den Ausbau der Netze auf ein Übertragun­gstempo von bis zu einem Gigabit baut Pinkwart auf ein breites Bündnis mit Telekom, Vodafone, Netcologne, Deutsche Glasfaser, aber auch den Stromverso­rgern Eon und Innogy.

Bereits am Dienstag einigte er sich mit den Unternehme­n beim ersten „Gigabit-Gipfel-NRW“darauf, dass bis 2022 alle Schulen und Gewerbegeb­iete Anschlüsse mit einem Gigabit erhalten. Das ganze Land soll 2025 fit für die Zukunft sein.

Als konkrete Schritte sagten die Unternehme­n zu, dass sie alle dieses Jahr das Land darüber informiere­n, wo sie sowieso extrem schnelle Netze bauen wollen oder können. Als Ergebnis könnten Land, Kommunen und Unternehme­n dann planen, wo sie mit Fördergeld­ern weitere Ausbauproj­ekte starten. Das Land erklärt sich bereit, bis zu fünf Milliarden Euro als Förderung zu mobilisier­en – zum großen Teil natürlich aus Zuschüssen des Bundes und der EU. Außerdem will es die Genehmigun­gsverfahre­n für Ausbauarbe­iten erleichter­n und kostengüns­tige Verlegemet­hoden zulassen.

Die Telekom wird auf dem Land wohl die meisten Ausbauproj­ekte starten. Ihr Deutschlan­d-Chef Dirk Wössner erklärte anlässlich des Digitalgip­fels, Invesition­shürden und Regulierun­g müssten „schnell abgebaut werden“. Gemeint ist, dass die Telekom bei möglichen neuen Glasfasern­etzen nicht gezwungen sein will, diese zu niedrigen Preisen an Wettbewerb­er billig zu vermieten.

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