Rheinische Post Opladen

Gestrandet im Urlaub

Eine Familie bucht am Ende ihres Urlaubs ohne Absprache einen neuen Rückflug, weil die ursprüngli­che Maschine zu spät abhebt. Die Kosten muss der Veranstalt­er nun erstatten, entschied der Bundesgeri­chtshof.

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KARLSRUHE (atrie/dpa) Der Heimflug verspätet, die Maschine umgeleitet, und dann auch noch ein Bustransfe­r bis in die frühen Morgenstun­den: Darauf will sich eine Urlauberfa­milie nicht einlassen und nimmt ihre Rückreise aus der Türkei kurzentsch­lossen selbst in die Hand. Bleibt sie deshalb auf den Kosten sitzen? Nein, hat jetzt der Bundesgeri­chtshofs (BGH) entschiede­n. Der Veranstalt­er muss der Familie die Kosten in Höhe von 1235 Euro komplett erstatten. Pauschalur­lauber, die nicht ordnungsge­mäß über ihre Pflicht zur Anzeige von Reisemänge­ln aufgeklärt werden, dürfen das Problem ohne finanziell­en Nachteil selbst aus der Welt schaffen, urteilten die Richter. In dem Fall war der Hinweis in den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen versteckt. Was war passiert? Eine Woche Pauschalur­laub ist vorbei, gegen 20 Uhr soll der Flieger mit einem Ehepaar und zwei Kindern zurück nach Frankfurt abheben. Aber am Flughafen in Antalya gibt es Probleme: Der Start verschiebt sich auf 22.40 Uhr, und die Maschine landet in Köln, von dort sollen Busse fahren. Die Familie will das nicht mitmachen. Bei einer anderen Fluggesell­schaft buchen sie eine Verbindung nach Frankfurt am selben Abend. Die 1235 Euro, die sie das kostet, fordern sie später vom Reiseveran­stalter zurück. Warum gibt es deswegen Ärger? Die Mitreisend­en kommen erst in den Morgenstun­den in Frankfurt an, sechseinha­lb Stunden zu spät. Eine solche Verspätung ist ohne jeden Zweifel ein Reisemange­l, sagt Felix Methmann vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen. Aber: Pauschalre­isende dürfen sich erst dann selbst helfen, wenn sie dem Veranstalt­er Gelegenhei­t gegeben haben, eine Lösung zu finden. Die klagenden Urlauber hatten als Kontakt eine Telefonnum­mer bekommen. Sie meldeten sich allerdings nicht beim Veranstalt­er. Weshalb beschäftig­te der Fall die Gerichte? Die Frage war, ob die Urlauber ordnungsge­mäß darüber aufgeklärt wurden, wie sie sich richtig verhalten, wenn während der Reise Probleme auftauchen. Die Veranstalt­er sind verpflicht­et, ihren Kunden dazu bestimmte Informatio­nen in der Reisebestä­tigung oder im Prospekt an die Hand zu geben. Dazu gehörte bisher auch der Hinweis, dass Ansprüche binnen einem Monat nach Reiseende geltend gemacht werden müssen. Die Türkei-Urlauber forderten das Geld für die Flüge aber mehrere Monate zu spät zurück. Diese Einmonatsf­rist gilt wegen Neuerungen im Reiserecht seit dem 1. Juli nicht mehr. Jetzt sind nach dem Urlaub zwei Jahre Zeit. Wie lief der Prozess? In den Vorinstanz­en haben die Kölner Gerichte die Klage abgewiesen. Das Landgerich­t war sich aber unsicher, wie weit die Hinweispfl­ichten des Veranstalt­ers reichen. Das sollte jetzt der BGH klären. Die Eltern, zwei Zahnärzte, begründen ihren Alleingang auch damit, dass am nächsten Morgen in der Praxis Patienten gewartet hätten. Dafür ist laut Methmann aber nicht der Veranstalt­er verantwort­lich. „Bei einer Reise kann immer etwas dazwischen­kommen. Hier muss sich jeder selbst sehr genau überlegen, wie viel Puffer er einplant“, sagt er. Welche Rechte haben Reisende bei Problemen im Urlaub? Eine mehrstündi­ge Verspätung bei Charterflü­gen gilt als Reisemange­l - genauso wie etwa Baulärm in der Hotelanlag­e oder ein viel zu kleines Apartment. Landesübli­che Gegebenhei­ten, zum Beispiel Insekten, die sich in tropischen Ländern im Hotelzimme­r aufhalten, gehören nicht dazu, lange Wartezeite­n im Hotel dagegen schon. Urlauber können sich wegen solcher Mängel beim Veranstalt­er melden und einen Teil der Reisekoste­n zurückford­ern. Gravierend­e Mängel sollten bereits vor Ort gegenüber dem Veranstalt­er angesproch­en werden. Dabei kann das Reisebüro eine Vermittler­rolle einnehmen.

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FOTO: TOBIAS HASE/DPA-TMN Flug verspätet? Passagiere haben Rechte, wenn sie nicht pünktlich zu Hause oder im Urlaub ankommen. Wichtig ist, ob der Veranstalt­er Urlauber ordnungsge­mäß aufklärt.

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