Bloß nicht abschminken
Schon Wochen vor der WM lagen die Einkaufsregale voll mit deutschen Fan-Utensilien. Nun braucht sie keiner mehr. Oder doch? Wir haben ein paar sportliche Alternativen für Fahnen, Blumen-Kettchen und Tattoos gesammelt.
DÜSSELDORF Sie waren die Stars. Jeder kennt sie. Beliebt bei Jung und Alt. Seit Jahren waren große Fußballturniere ohne sie undenkbar. Im Supermarkt, bei den Drogerieketten, selbst an Tankstellen spielten die Fan-Utensilien die Hauptrolle – mit ihren großen Pappaufstellern und extra für sie dekorierten Regalen. Nun sind sie ins Abseits gedrängt worden. Manche von ihnen tragen sogar rote Aufkleber und sind zum Ausverkauf freigegeben.
Mit dem frühen WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft sind auch die schwarz-rot-goldenen Schminkstifte, Tattoos und Blumenketten uninteressant geworden. Was machen wir nun bloß mit unserer Deutschland-Deko? In die Mülltonne damit? Oder bis zur EM in zwei Jahren in Keller oder Warenlager verbannen?
Das haben die treuen Fan-Begleiter nicht verdient. Ein neues Spielfeld muss für sie her. Und das ist gar nicht so schwer zu finden: Wir lassen unsere Wohnzimmer einfach geschmückt, malen unser Gesicht wieder in Deutschland-Farben an und feuern Beachvolleyballer, Ruderer und Leichtathleten an. Ja, die Fußball-WM ist das Sportereignis des Sommers. Aber längst nicht das einzige.
Am Tag des WM-Finals in Russland freuen sich die deutschen Beachvolleyballer beim Auftakt ihrer EM genauso über begeisterte Fans, wie es Thomas Müller, Toni Kroos oder Manuel Neuer beim Spiel um den WM-Titel getan hätten. Auch beim traditionsreichen Tennis-Turnier in Wimbledon können Sportfans schon jetzt mit den deutschen Stars um Angelique Kerber und Alexander Zverev mitfiebern.
Wer Überraschungssieger, Entscheidungen auf den letzten Metern und spannende Duelle liebt, der muss sich die European Championships in seinen Kalender eintragen. In gleich sieben Sportarten werden vom 2. bis 12. August gleichzeitig Europameisterschaften ausgetragen. Die Ruderer, Schwimmer, Turner, Bahnradfahrer, Golfer und Triathleten kämpfen in Glasgow um Gold, Silber und Bronze; die Leichtathleten in Berlin. Deutscher Freudentaumel ist da programmiert.
Zum Beispiel wenn der Deutschland-Achter ins Wasser sticht. Seit dem Olympiasieg 2016 hat das Vorzeige-Boot nur einen Wettkampf verloren. Mit dem neu besetzten englischen Achter wird sich Team-Deutschland aber wohl ein spannendes Rennen liefern. Das Duell hat Tradition und elektrisiert die Fans beider Nationen seit Jahrzehnten – wie im Fußball. Grund genug, mit schwarz-rot-goldenen Fan-Utensilien vor dem Fernseher mit zu fiebern.
Für unsere Leichtathleten können deutsche Fans bei der Heim-EM in Berlin sogar direkt im Stadion die Deutschland-Fahnen schwenken. Etwa wenn für Titelverteidigerin Gesa Felicitas Krause der Startschuss zu den 3000 Meter Hürden fällt. Die 25-Jährige ist der Shooting-Star der deutschen Leichtathletik und könnte zum Publikums-Liebling werden.
Der ist Robert Harting schon. Der Diskus-Olympiasieger von London 2012 will in seinem „Wohnzimmer“ nochmal den Titel holen. Seit Jahren begeistert der Berliner die Fans. In Erinnerung geblieben sind die Szenen, in denen er sich nach dem WM-Titel 2009 in Berlin vor Freude das Trikot zerreißt und mit dem Publikum feiert. Wenn Harting antritt, ist Spannung und Spektakel garantiert.
Wer danach noch nicht genug Gänsehaut-Momente erlebt hat, der kann seine Fahnen auch im September wieder rausholen. Vor einem Jahr sorgten die Volleyballer überraschend für Begeisterung in Deutschland. Die Mannschaft spielte sich als Außenseiter bis ins Finale der EM und verlor dort nur knapp gegen Russland. Ähnliche Euphorie wollen die Volleyballer nun bei der WM vom 10. bis 30. September in Italien und Bulgarien erzeugen.
Im September kämpfen auch die Straßenrad-Fahrer um den WM-Titel. Vom 22. bis 30. September geht es in Innsbruck darum, wer auf Asphalt der schnellste Radfahrer ist. Bleibt er bis dahin unverletzt, gehört der Deutsche Tony Martin wieder zu den Favoriten.
Nie war die schwarz-rot-goldene Hawaii-Kette passender, als sie es am 13. Oktober sein wird: Zum Ironman auf Hawaii, der WM der Triathleten. Stundenlang können die Fans mit den Sportlern mitfiebern. Das Anfeuern wurde zuletzt belohnt. Seit 2014 hat immer ein deutscher Läufer gewonnen. Höhepunkt war der Dreifach-Triumph 2016.
Spätestens dann sollten auch alle Schminkstifte, Deutschland-Servietten und Tattoos aufgebraucht sein. Sollte doch noch was übrig sein, müssen eben die Wintersportler für deutschen Jubel sorgen.
ANALYSE Warum wird der deutsche Schiedsrichter Felix Brych vom Weltverband Fifa nach nur einem Spiel von der WM abgezogen? Dahinter steckt vor allem Verbandspolitik.