Höchststrafe – Zschäpe wehrt sich
Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess muss lebenslang in Haft. Sie will dagegen in Revision gehen. Die Unterstützer kommen milder davon. Für die Politik ist der Fall nicht erledigt.
MÜNCHEN/BERLIN Nach mehr als fünf Jahren ist der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München am Mittwoch zu Ende gegangen. Das Gericht verhängte gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe die Höchststrafe. Sie wurde als Terroristin und Mittäterin unter anderem wegen zehnfachen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Außerdem stellte der Senat die besondere Schwere der Schuld fest. Daher kann die Strafe nicht nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Die vier Unterstützer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“(NSU) bekamen Haftstrafen zwischen zweieinhalb und zehn Jahren.
Mit dem Strafmaß von Beate Zschäpe ist das Gericht fast vollständig der Anklage der Bundesanwaltschaft gefolgt. Es verzichtete lediglich auf die anschließende Sicherungsverwahrung. Juristisch steht das Urteil auf wackeligem Boden. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die anderen Mitglieder des NSU, sollen die Morde, Überfälle und Anschläge verübt haben. Das Oberlandesgericht musste Zschäpe deswegen nachweisen, dass sie wesentlich an der Planung der Taten beteiligt war. Der NSU hat zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordet, neun davon mit Migrationshintergrund.
Zschäpes Anwalt Mathias Grasel kündigte an, gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen. Bis die Schuldsprüche rechtssicher sind, werden daher Jahre vergehen. Das Münchner Gericht hat etwa anderthalb Jahre Zeit, das schriftliche Urteil anzufertigen. Erst danach kann die Revision starten.
Hinter der Anklage zurück blieben die Urteile für die Unterstützer des NSU. Ralf Wohlleben wurde zu zehn Jahren, André E. zu zweieinhalb Jahren und Holger G. sowie Carsten S. zu drei Jahren Haft verurteilt. E. wurde inzwischen aus der U-Haft entlassen. Das sorgte zum Teil für Unverständnis bei den Angehörigen der Opfer. Elif Kubasik, Ehefrau des in Dortmund ermordeten Mehmet Kubasik, erklärte über ihren Anwalt, dass sie den Richterspruch mit Entsetzen und Unverständnis aufnehme. Sie sehe in den milden Urteilen „eine weitere Ermutigung“der Neonazi-Szene.
Für die Politik ist der Fall ebenfalls noch nicht abgeschlossen. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte unserer Redaktion: „Die Ermittlungen müssen wegen des rechtsextremistischen Umfelds weitergehen.“Auch die Verantwortung des Verfassungsschutzes sei aufzuklären. Das Urteil lasse „Fragen offen“. Generalbundesanwalt Peter Frank sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, er sehe im NSU-Urteil keinen „Schlussstrich“für die Ermittlungen.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), forderte einen entschlossenen Kampf gegen Rechtsextremismus. „Das Kapitel NSU ist mit dem Urteil nicht abgehakt“, sagte sie. Alle Verantwortlichen stünden in der Pflicht, alles daranzusetzen, dass sich solche Morde nicht wiederholen. Die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses seien konsequent umzusetzen. Sie forderte die Zivilcourage eines jeden: „Es geht darum hinzuschauen und gegen Hass und Hetze das Wort zu ergreifen. Wir brauchen eine Kultur des Widerspruchs, wenn Menschen diskriminiertwerden. Wir brauchen eine Kultur von null Toleranz, wenn Menschen angegriffen werden.“Leitartikel, Politik