Przybylko hat eine Medaille im Visier
Der TSV-Hochspringer hat nicht nur hohe Ziele für die EM. Auch der Rekord von Carlo Thränhardt treibt ihn an.
LEVERKUSEN Am kommenden Wochenende startet Mateusz Przybylko als Favorit bei den Deutschen Meisterschaften. Der Hochspringer ist derzeit nationale Nummer eins, hält mit 2,30 Meter die Jahresbestleistung und ist amtierender Titelträger. Daher steht es außer Frage, dass der 26-Jährige unbedingt erneut gewinnen möchte. Ein viel größeren Traum verfolgt der Leichtathlet des TSV Bayer 04 aber vom 7. bis zum 12. August in Berlin: Bei den Europameisterschaften soll eine Medaille her.
„Ich bin überzeugt, dass ich in Berlin meine eigene Bestleistung knacken kann“, sagt Przybylko. Die liegt bei 2,35 Meter – mit einem solchen Sprung stehen auch die Chancen auf Edelmetall gut. „Ich bin ein Wettkampf-Typ. Es gibt sogenannte Trainingsweltmeister, die ohne Druck unglaubliche Leistungen bringen. Bei mir ist es eher umgekehrt“, erläutert der 1,95 Meter große Sportler, der manchmal selbst nicht glauben kann, wie er Sprünge im Bereich der 2,30 Meter gepackt hat. „Ich sehe dann wie hoch die Latte liegt und frage mich, wie ich das gerade gemacht habe. Das ist ein unglaubliches Gefühl.“
In der Liga der Außergewöhnlichen wollte Przybylko immer schon spielen. Deshalb entschied sich der Hochspringer in der Jugend auch nicht für den Fußball, sondern für die Leichtathletik. „Jeder kann doch irgendwie ein bisschen mit dem Ball umgehen“, beschreibt der 26-Jährige seine Faszination. „Aber 2,30 Meter hoch zu springen, ist etwas ganz Besonderes. Da wollte ich dazugehören.“
Dabei lief es zu Beginn gar nicht so überragend im Hochsprung. Mit zehn Jahren begann Przybylko mit der Leichtathletik und trat damit in die Fußstapfen seiner Mutter Violetta, während seine beiden Brüder Kacper und Jacub Vater Mariusz nacheiferten und dem Fußball treu blieben. „Meine Eltern haben gemerkt, dass ich nicht so sehr hinter dem Ball hergerannt bin. Da kam der Vorschlag von meiner Mutter, den Sport zu wechseln“, erinnert sich der gebürtige Bielefelder. Fortan versuchte er sich in vielen Disziplinen, die ihm alle Spaß machten. „Aber sogar meine Brüder, die hin und wieder hineinschnupperten, sind am Anfang höher als ich gesprungen.“
Der große Schub kam etwa mit 14 Jahren. Immer höher ging es für den dünnen Schlacks, wie Przybylko sich selbst bezeichnet, hinaus. „Plötzlich habe ich zwei Meter geschafft. Ab dem Moment war klar, dass ich die anderen Disziplinen nur noch nebenbei machen würde“, sagt der TSV-Athlet. Unter Trainer Georg Cadek entwickelte er sich bei der LG Bielefeld. Mit 17 ging es zu Bayer. „Es war für meine Weiterentwicklung am Besten. Ich war beim Probetraining bei Hans-Jörg Thomaskamp und war sofort fasziniert. Also bin ich nach Abschluss der zehnten Klasse nach Leverkusen gezogen.“
Anfangs war das noch schwer. „Ich war ein Mama-Kind und hatte heimweh. Ein halbes Jahr habe ich daran gedacht, wieder zurückzugehen“, sagt der Sportsoldat. „Letztendlich war der Wechsel die beste Entscheidung meines Lebens“, betont der 26-Jährige. „Hans-Jörg ist inzwischen wie ein zweiter Vater für mich. Auch meine Freundin Jennifer habe ich hier kennengelernt.“Mindestens sechs Mal die Woche trainiert Przybylko unter Thomaskamp. Die Erfolge sprechen für sich. Sein jüngster Coup: die Bronzemedaille bei der Hallen-WM in Birmingham.
Die Verteidigung des Deutschen Meistertitels sollte da doch nur Formsache sein. „Das ist mein Ziel, aber Tobias Potye von der LG München wird immer stärker, und Routinier Eike Onnen von Hannover 96 kann immer wieder ein hoher Sprung herausrutschen“, sagt Przybylko. Unabhängig vom Ausgang soll Anfang August bei der EM der ganz große Wurf gelingen. „Zunächst mal muss ich es ins Finale schaffen. Dafür sind 2,26 Meter notwendig. Wenn ich die nicht schaffe, wäre ich sehr traurig“, sagt der Hochspringer, der weiß, dass nichts selbstverständlich ist. „Es könnte eine einmalige Chance sein, vor heimischem Publikum eine so wichtige Medaille zu holen. Ich bin überzeugt, dass mir das gelingen kann.“
Beinahe nebenbei kratzt Przybylko am bereits seit 1984 bestehenden deutschen Rekord von Carlo Thränhardt. Der liegt bei 2,37 Meter. „Das wäre schon eine Nummer, wenn ich den irgendwann noch packe“, fängt Przybylko an zu träumen. Vielleicht holt er ja schon in Berlin die entscheidenden Extra-Zentimeter: Als Wettkampf-Typ wäre die ganz große Bühne schließlich genau die richtige.