Feuerhölle im Ferienort
Dutzende Menschen starben in der Region Athen bei Waldbränden. Menschen flüchteten an Strände und in Boote. Den Rettern boten sich schreckliche Szenen.
ATHEN Mati war noch am Montagmorgen ein lebhafter Badeort 30 Kilometer östlich von Athen: Villen und Wochenendhäuser zwischen grünen Pinien, am Strand mehrere Hotels und Tavernen. Vor allem Athener verbringen in dieser Idylle gern die Wochenenden. Dass die meisten Besucher am Montag wieder in der Stadt waren und ihrer Arbeit nachgingen, könnte ihnen das Leben gerettet haben. In der Nacht zum Dienstag raste eine Flammenwalze durch den Ort. Luftaufnahmen zeigten am Morgen das Ausmaß der Zerstörung: Baumgerippe zwischen schwelenden Ruinen, die Straßen gesäumt von ausgeglühten Autowracks. Ein grauer Ascheteppich bedeckt den Ort. „Mati existiert nicht mehr“sagte eine Anwohnerin, die sich in letzter Minute vor dem Feuersturm retten konnte.
Mindestens 74 Menschen sterben in dem Inferno, Hunderte Häuser sind zerstört. Das Feuer war am Montagnachmittag – womöglich durch Brandstiftung – bei der Ortschaft Neos Voutsas am Osthang des Penteli-Bergmassivs ausgebrochen. Heftige Westwinde ließen die einzelnen Brandherde schnell zu einer riesigen Feuerfront anwach- sen, die von Neos Voutsas auf das unterhalb gelegene Mati und die kleine Hafenstadt Rafina zurollte. Weil die Feuerwehren bereits seit dem Mittag gegen einen anderen großen Waldbrand bei Kinetta westlich Athens kämpften, konnten sich die Flammen am Penteli zunächst ungehindert ausbreiten. Im Lauf des Nachmittags wurden zwar mehrere Löschflugzeuge und Helikopter eingesetzt, die Wasser über den Flammen abwarfen, aber da ließ sich die Katastrophe nicht mehr abwenden.
„Zwei Stunden haben wir vergeblich auf die Feuerwehr gewartet, während die Feuerwand immer näher kam“, berichtet Stefanos Varlamis. Dann ergriff der Familienvater mit seiner Frau und zwei Kindern die Flucht vor den Flammen. „Unser Haus ist abgebrannt, aber wir haben wenigstens unser Leben gerettet“, sagt der 43-Jährige.
Die Zahl der Toten dürfte weiter steigen, wenn alle Ruinen durchsucht sind. Bei Tagesanbruch machten Feuerwehrleute eine furchtbare Entdeckung: Auf einem Feld stießen sie auf 25 Leichen. Die Menschen, darunter Frauen und Kinder, hatten offenbar versucht, ans Meer zu fliehen. Doch dann standen sie an steilen Klippen und mussten umkehren. Viele von ihnen hielten sich im Tod noch umarmt. „Es war ein erschütternder Anblick“, berichtet ein Helfer unter Tränen.
Andere schafften es bis ans Meer. Ausflugsschiffe und Fischerboote brachten im Laufe der Nacht mehr als 700 Menschen von Stränden in Sicherheit. Andere versuchten, sich in Ruderkähnen oder schwimmend zu retten. Jachten und Schlauchboote kreuzten vor der Küste, um Überlebende aufzunehmen. Hubschrauber kreisten über dem Meer und suchten mit starken Scheinwerfern die Wasseroberfläche ab.
Gegen vier Uhr früh entdeckten Suchmannschaften im Meer vor Rafina die Leichen dreier Frauen und eines Kindes. Viele Menschen werden noch vermisst, darunter zwei dänische Touristen. Sie gehörten zu einer Gruppe von zehn Urlaubern, die in einem Schlauchboot zu entkommen versuchten. Acht wurden gerettet.