Rheinische Post Opladen

Paralympic­s-Held macht Jugend Mut

Er kollidiert mit einem Zug, überlebt, wird Spitzenspo­rtler. David Behre erzählt Jugendlich­en seine Geschichte

- VON TOBIAS FALKE

LEVERKUSEN Es ist eine schier unglaublic­he Geschichte, die David Behre rund 40 Jugendlich­en in seinem „Wohnzimmer“– die Fritz Jacobi Sportanlag­e – an diesem Nachmittag erzählt. Die Jugendlich­en sind Teilnehmer des „TalentCamp­s Ruhr“, kommen aus dem Ruhrgebiet und stärken in dem zehntägige­n Camp ihre sozialen, kreativen und auch sportliche­n Kompetenze­n. In Leverkusen bekommen sie einen privaten Einblick in das Leben von Behre, der als Sportler bereits Olympia-Gold gewinnen konnte. Seine Geschichte ist dramatisch. Sie würde ein Drehbuch für einen Abendfilm füllen.

Der 8. September 2007 ist der Tag, der das Leben Behres verändert. Auf dem Fahrrad unterwegs überquert der damals 20-jährige Fachinform­atiker einen Bahnüberga­ng. „Im nächsten Augenblick klebe ich an der Vorderseit­e eines Zuges und werde 100 Meter mitgeschle­ift“, erzählt er. Noch heute erinnert er sich an den Zusammenpr­all. Warum der Zug allerdings dort entlang fuhr, obwohl die Schranken offen waren, sei bis heute nicht geklärt. Aber damit wolle er sich auch nicht beschäftig­en. Viel wichtiger sei das, was er aus dem schrecklic­hen Ereignis an positiver Energie mitnehmen konnte.

Nachdem er sich von der Lok lösen konnte und drei Stunden mit abgetrennt­en Füßen neben den Gleisen lag, ehe jemand Erste Hilfe leisten konnte, beginnt sein neues Leben. Dass er überlebt hat, grenzt an ein Wunder. „Ich habe noch im Krankenhau­s im Fernsehen den Spitzenspo­rtler Oscar Pistorius gesehen, der auf Sportproth­esen schneller war als andere Athleten“, erinnert er sich, „das wollte ich dann auch.“Mit viel Ehrgeiz, Motivation und Unterstütz­ung schaffte der nun 31-jährige es zurück ins Leben und wurde Spitzenspo­rtler. Dafür zog er nach Leverkusen und trainiert täglich rund sechs Stunden beim TSV Bayer. Rund 15.000 Euro koste eine Sportproth­ese, erzählt er den Jugendlich­en. Da diese nicht von der Krankenkas­se übernommen werden, habe er das erste Paar selbst finanziert. Mittlerwei­le bekommt er sie durch Sponsoren bezahlt.

Doch war es ein langer Kampf. Kurz vor Olympia 2012 in England zog er sich einen Meniskusri­ss zu, der zu solch großen Komplikati­onen führte, dass die Ärzte ihm bestätigte­n, der Traum vom Spitzenspo­rt sei vorbei. „Das war fast schlimmer als der Unfall“, fasst der viermalige Olympiasie­ger zusammen. Doch erneut kämpfte sich Behre zurück und überzeugte seine Kritiker. Bei seiner ersten Teilnahme bei den Olympische­n Spielen in Großbritan­nien, nur wenige Monate später, holte er sich mit der Staffel über 4x100 m die Bronze-Medaille. Kurze Zeit später gewann er die Weltmeiste­rschaft – vor Oscar Pistorius. „Ich habe es ja auch gut“, scherzt er mit den jungen Leuten, die an seinen Lippen hängen, „ich brauche mir nicht die Zehennägel zu schneiden.“Im Alltag würde er sogar manchmal vergessen, dass er Prothesen trage. „Das ist für mich so, wie wenn ihr euch morgens die Socken anzieht.“

Bei den letzten Spielen in Rio gewann der deutsche Paralympic­s-Held die Gold-, Silber- und Bronze-Medaille. Sein großes Ziel: Noch einmal sein Bestes geben bei den Spielen in Tokio. Dann sei für ihn Schluss: „Ich bin dann fast 34 Jahre alt. Man sollte doch aufhören, wenn es am schönsten ist.“

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FOTO: RALPH MATZERATH David Behre trainiert auf der Fritz-Jacobi-Anlage Jugendlich­e des Ferienproj­ekts „TalentCamp“.

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