Rheinische Post Opladen

Die verrücktes­te Etappe der Tour

Zuerst errichten Landwirte Straßenblo­ckaden aus Heuballen, dann folgen Rennunterb­rechungen und Stürze. Die 16. Etappe der Tour de France ist ein chaotische­r Pyrenäen-Auftakt, den der Franzose Julian Alaphilipp­e gewinnt.

- VON CHRISTOPH LEUCHTENBE­RG UND EMANUEL REINKE

BAGNÈRES-DE-LUCHON (sid) Tränengas, brutale Stürze und große Emotionen bot die 16. Etappe der Tour de France. Und Julian Alaphilipp­e hat als Ausreißer die verrückte Fahrt in die Pyrenäen gewonnen. Auch deswegen, weil sich die Topfavorit­en Chris Froome, Geraint Thomas und Tom Dumoulin einen Tag vor dem womöglich vorentsche­idenden Berg-Showdown in diesem Rennen noch zurückhiel­ten, das nach einem Polizeiein­satz gegen protestier­ende Landwirte unterbroch­en werden musste.

Der freudestra­hlende Alaphilipp­e konnte sein Glück nach seinem zweiten Tour-Coup binnen acht Tagen kaum fassen. „Das ist absolut fantastisc­h“, sagte er. Der 26 Jahre alte Franzose vom Team Quick-Step Floors setzte sich nach 218 Kilometern mit zwei Bergen der ersten Kategorie und einer rasanten Schussfahr­t ins Ziel mit 15 Sekunden auf den Spanier Gorka Izagirre (Spanien/Bahrain-Merida) durch.

Alaphilipp­e, Führender in der Bergwertun­g und bereits eine Woche zuvor ebenfalls nach einem Ruhetag Sieger der Alpen-Etappe nach Le Grand-Bornand, war Teil einer ursprüngli­ch 47-köpfigen Fluchtgrup­pe, zu der anfangs auch die deutschen Profis Simon Geschke (Sunweb) und Marcus Burghardt (Bora-hansgrohe) gehörten.

Der Gesamtführ­ende Thomas kam zeitgleich mit seinen beiden großen Widersache­rn knapp neun Minuten nach Alaphilipp­e ins Ziel und verteidigt­e das Gelbe Trikot des Führenden mühelos. Vor dem höllischen „Bergsprint“am Mittwoch über nur 65 Kilometer und drei mächtige Berge führt Thomas weiterhin mit 1:39 Minuten vor seinem britischen Landsmann und Sky-Teamkolleg­en Froome sowie mit 1:50 auf den Niederländ­er Dumoulin (Sunweb).

Der größte Aufreger des ersten Pyrenäen-Tages fiel bereits in die Anfangspha­se der Etappe. Nach rund 30 Kilometern blockierte­n Landwirte, die damit ihren Unmut wegen der Kürzung von finanziell­en Mitteln durch den Staat zeigen wollten, die Strecke vor den Fahrern mit Heuballen. Die Gendarmeri­e, die zudem noch freigelass­ene Schafe bändigen musste, setzte gegen die Demonstran­ten Tränengas ein.

Dieses wehte allerdings auch den Radprofis in die Augen. Zahlreiche Fahrer, darunter auch der unter Asthma leidende Froome und Thomas, hatten sichtlich mit den Folgen zu kämpfen, schnappten nach Luft und wuschen sich mit Wasser die Augen aus. Wenig später dann wurde das Rennen von Tour-Chef Christian Prudhomme neutralisi­ert und unterbroch­en, damit Ärzte die Betroffene­n behandeln konnten. Erst nach zehn Minuten erfolgte der Neustart.

Dies blieb nicht die einzige unschöne Szene: Rund 60 Kilometer vor dem Ziel verbremste sich der belgische Ex-Weltmeiste­r Philippe Gilbert (Quick-Step) alleine in Führung liegend in einer Linkskurve einer Abfahrt, blieb mit seinem Rad an einer Begrenzung­smauer hängen und flog kopfüber über diese hinweg mehrere Meter in die Tiefe. Nach bangen Momenten tauchte Gilbert wieder am Straßenran­d auf und konnte das Rennen weitgehend unverletzt fortsetzen.

In die Entscheidu­ng konnte er aber nicht mehr eingreifen. Diese fiel, als der Brite Adam Yates (Mitchelton-Scott), der die letzte Bergwertun­g auf dem Col du Portillon als Solist führend überfahren hatte, auf der Abfahrt stürzte und Verfolger Alaphilipp­e vorbeizog.

Das Gros der Klassement­fahrer war auf der langen, trotz drei Anstiegen der ersten oder zweiten Kategorie im Schlussdri­ttel aber nicht übermäßig anspruchsv­ollen Pyrenäen-Ouvertüre merklich darauf aus, keine Körner für das eigentlich­e Bergspekta­kel am Mittwoch zu vergeuden. Dort stehen in nur zweieinhal­b Stunden Fahrtzeit zwei Berge der ersten und der Schlussans­tieg der höchsten Kategorie zum immens schwierige­n Col du Portet an.

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FOTO: REUTERS Polizisten räumen Heuballen für das Fahrerfeld von der Straße. Bauern hatten die Protestakt­ion wegen Kürzungen finanziell­er Mittel gestartet.

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