Der Mann, der die „Freitonalität“liebt
In einer neuen Reihe stellen wir Komponisten aus Leverkusen vor. Zum Auftakt Stefan Esser, der „Spätromantische“.
OPLADEN Es waren die richtigen Lehrer in der Grundschule und später am Lise-Meitner-Gymnasium, die bei Stefan Esser die Affinität zur Musik geweckt haben. Gerne erinnert er sich an seinen Musiklehrer Ernst Malangré, der den Eltern des damals Zehnjährigen nahelegte: „Ihr Kind sollte musikalische Förderung erhalten.“Das hat sich ausgezahlt, auch für die Schule, wo Esser in der Oberstufe die ersten seiner Kompositionen aufführte. Er wuchs im Leverkusener Kinderchor auf, freundete sich mit dem Sohn des Leiter-Ehepaares, Michael Schlechtriem, an, bei dem er auch später Klavierunterricht nahm. Schlechtriem studierte Cello und ist heute Orchestermusiker.
Bald war Stefan Esser fit genug, mit dem etwa gleichaltrigen Cellisten als Duo aufzutreten. Und er begann, seine Musik für diese Besetzung zu schreiben. Sein „Movement“etwal, das beide 1984 im Lise-Meitner-Gymnasium Michael aufführten. 1986/87 gingen beide auf Spanien-Tournee und spielten zahlreiche Konzerte. Schon vorher war die „Alptraumfantasie“(der Name wurde durch den wüsten Klavierpart geprägt) für das Schulorchester geschrieben.
Die spätromantische Färbung, die bis heute seinen Stil auszeichnet, tragen schon die frühen Werke aus jener Zeit. In den 90er Jahren, als er in Köln Sonderpädagogik mit dem Fach Musik studierte, änderte sich das zeitweilig. Da probierte Esser einen Ansatz von Zwölftonmusik, ohne sich allerdings total an die strengen Regeln zu halten. Ihm ging es immer um eine erweiterte Tonalität, darum, die Grenzen auszuloten, ohne jedoch wirklich in den atonalen Bereich vorzudringen. „Freitonal“nennt er es. Seine bevorzugte Harmonie- und Klangwelt blieb immer spätromantisch.
Während der Sommerferien hatte er 1992 ein Stück für Orchester komponiert. Das zeigte er seinem Professor. „Er blätterte es durch und sagte völlig spontan: Das spielen wir nächstes Semester“, erzählt Esser. Seitdem ergab sich nie wieder die Möglichkeit zu einer Aufführung. Anders ist es mit den kammermusikalischen Werken, mit Liedern oder Klavierstücken. Vieles schrieb er für den täglichen Gebrauch in der Kükelhaus-Schule, wo er stellvertretender Leiter ist, Musik für den Move-Unterricht mit körperbehinderten Kindern und eine Schulhymne. Von Bayer Kultur erhielt er den Auftrag zum Kindermusical „Felix“, das von Schülern im Erholungshaus aufgeführt wurde, ebenso wie seine spätere musikalische Stadtrundfahrt „Mein Leverkusen“.
Über eine Radiosendung lernte er das Duo Pianoworte kennen, mit dem Esser eine enge Zusammenarbeit pflegt. Er liefert regelmäßig die Musik zu den Programmen mit Rezitation und Gesang für Kinder und Erwachsene. Ebenfalls durchs Radiohören wurde er auf den Komponisten Joseph Marx aufmerksam, der eine ähnliche Musiksprache benutzte. Er schrieb ein unvollendetes Werk zu Ende und ist seitdem der Joseph-Marx-Gesellschaft verbunden.
Die wichtigste Kooperation begann 1998, als ihn sein ehemaliger Mitschüler Bernd Vossen um Zusammenarbeit bei der Gründung des Jungen Theaters bat, das heute Essers wichtigste Spielwiese ist. Der Bühnenmusik für die erste Produktion „Leonce und Lena“folgten jede Menge weitere. Eine besonders aufwendige war „Andorra“. Beteiligt waren damals Serkhan Kaya und Katharina Lorenz, die längst als Profis auf der Bühne und vor der Kamera stehen.
Einige Werke sind bei Musikverlagen erschienen, das Meiste stellt er auf der Plattform Musicalion online. Stefan Esser ist Gema-Mitglied, aber: „Das wird man nicht reich von.“Zum Glück sei er nicht auf Tantiemen angewiesen, weil er einen Brotberuf habe. Esser ist unter den zehn Finalisten des Carl-Orff-Kompositionswettbewerbs, der am 10. August ausgetragen wird.