Weniger wäre mehr
ANALYSE Debatten über Länderfusionen verlaufen regelmäßig im Sande, weil die Neugliederung rechtlich schwer durchsetzbar wäre. Dabei wären weniger Bundesländer ökonomisch und auch politisch vorteilhaft.
Sechzehn Bundesländer sind sechs bis zwölf zu viel – diese Idee treibt Politiker und Ökonomen schon seit der Gründung der Bundesrepublik vor 70 Jahren um. Viel wurde darüber gestritten, immer verlief die Diskussion im Sande. Doch wenn ein ehemaliger Ministerpräsident vorschlägt, sein eigenes Heimatland mit dem Nachbarland zu fusionieren, horcht die geneigte Öffentlichkeit doch wieder auf. So geschehen in dieser Woche. Der frühere rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) wagte zu sagen, sein Bundesland könne mit dem Saarland zusammengehen. „Im Saarland gibt es einen saarpfälzischen Teil, der mit der Pfalz eine gefühlte und traditionelle Einheit bildet. Und es gibt den moselfränkischen Bereich, der sich bis Trier zieht. Deshalb könnten Sie aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz eine neue Einheit formen, ohne dass die Menschen das innerlich ablehnen würden“, sagte der heutige Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung. „Ähnliche Verbindungen finden sich bei Berlin und Brandenburg oder im Norden Deutschlands.“
16 Bundesländer unterhalten 16 Regierungen, Parlamente und Verwaltungen, Bildungssysteme und unterschiedliche Regulierungen etwa im Baurecht. Dass das zu Reibungsverlusten und Mehrausgaben führt, ist augenscheinlich. Die Frage nach der Existenzberechtigung eines Landes stellt sich vor allem, wenn es dauerhaft nicht in der Lage ist, genug eigene Einnahmen zur Erfüllung seiner Aufgaben zu erwirtschaften. Das ist beim Saarland und Bremen so. Aber bis auf Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und mit Abstrichen auch noch Sachsen und Nordrhein-Westfalen sind alle übrigen mehr oder weniger dauerhaft abhängig von Finanzhilfen des Bundes und der Ländergemeinschaft. Auch deshalb gab es in der Vergangenheit immer wieder radikale Vorschläge: Bis auf die südlichen Länder und NRW sollten alle übrigen irgendwie miteinander verschmolzen werden.
Die Länderchefs reagieren meist abwehrend. Sie wollen sich nicht den eigenen Ast absägen. „Kooperationen sind notwendig, und wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit Hamburg“, sagt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). „Ich möchte mir über Fusionen von Ländern aber keine vertieften Gedanken machen.“Es ergäben sich „bei uns gar keine großen zusätzlichen Spareffekte bei einer Zusammenlegung. Eine Fusion hätte eher den negativen Effekt, dass Identitäten Die aktuelle Variante mit 16 Bundesländern Beim Neun-Länder-Modell des FDPPolitikers Walter Döring gibt es mehrere Länderfusionen. aufgegeben würden.“Auch Kurt Becks Nachfolgerin im Amt, Malu Dreyer (SPD), wehrt ab: „Eine Länderfusion ist aus meiner Sicht auf absehbare Zeit kein Thema.“
Den Länderchefs kommt die Verfassungslage entgegen. Damit eine Länderfusion zustande käme, müssten nämlich nach dem Grundgesetz die Bevölkerungen der beteiligten Länder per Volksentscheid zustimmen. Berlin und Brandenburg unternahmen 1996 den Versuch zu fusionieren, doch in Brandenburg kam die erforderliche Mehrheit nicht zustande. Die bislang einzig gelungene Neugliederung war 1952 die Fusion der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zum Land Baden-Württemberg.
Für mehr Länderfusionen werden vor allem ökonomische Gründe angeführt. „Eine Länderneugliederung wäre sinnvoll und geboten, um knappe öffentliche Mittel für andere Aufgaben, wie bessere Bildungsfinanzierung, Infrastruktur oder Verteidigung, verwenden zu können“, sagt der FDP-Wirtschaftspolitiker Michael Theurer. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung war 1995 zum Ergebnis gekommen, dass durch eine Fusion allein die Verwaltungsausgaben der Länder Berlin und Brandenburg um jährlich eine Milliarde Euro sinken könnten. Es gebe wegen der Ländergrenzen aber auch „staatliche Dysfunktionalitäten“, sagt Theurer. Er nennt als Beispiel „die unendliche Geschichte um den Berliner Großflughafen“, der seit 20 Jahren auch deshalb nicht eröffnet werden konnte, weil sich zwei Landesregierungen nicht immer einig sind.
Die Neugliederung liege auch im Interesse der Länder selbst. Denn Herausforderungen wie Terrorismus-Bekämpfung, Digitalisierung, Migration oder die Bildungsfinanzierung könnten viele Länder kaum allein bewältigen, der Ruf nach einer stärkeren Zentralisierung von Aufgaben beim Bund werde lauter. „Um diesen Zentralisierungstendenzen den Wind aus den Segeln zu nehmen, sind mutige Reformen notwendig“, sagt Theurer. Eine Neugliederung könne zudem verhindern, so der Darmstädter Politikwissenschaftler Arthur Benz, „dass das politische Gewicht kleiner Länder weiter sinkt“.
Michael Hüther, der Chef des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft, macht sich dagegen keine Illusionen. Ökonomisch würde eine Neugliederung zwar Sinn ergeben, doch politisch und gesellschaftlich stehe zu viel dagegen. „Der Verlust an kultureller Tradition und Identität ist höher zu gewichten. Verwaltungseffizienz als Argument tritt dann in den Hintergrund.“