Ryanair-Piloten halten Druck aufrecht
Nach dem ganztägigen Streik belassen die Cockpit-Besatzungen die Billig-Airline und ihre Kunden vorerst im Ungewissen. Auch vonseiten der Flugbegleiter droht neuer Ärger.
DÜSSELDORF (dpa) Nach dem 24-Stunden-Streik bei Ryanair hat die deutsche Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) den irischen Billigflieger zu ernsthaften Verhandlungen aufgefordert. „Wir erwarten von Ryanair einen Lösungsansatz und Kompromissbereitschaft“, sagte VC-Präsident Martin-Joachim Locher der „Passauer Neuen Presse“. Allerdings habe die Airline „mit der Aussage, dass es keine Personalkostenerhöhung geben darf, bereits jeglichen Ansatz für ordentliche Verhandlungen gestoppt“.
Der in der Nacht zum Freitag gestartete Arbeitskampf sollte nicht verlängert werden, wie die Gewerkschaft mitteilte. Weitere Streiks schließt die VC aber nicht aus. Die Passagiere hätten verständnisvoll reagiert, sagte Locher. „Viele Bürger schreiben uns, dass es allerhöchste Zeit für diesen Streik gewesen sei und dass auch Ryanair endlich angemessene Arbeitsbedingungen schaffen müsse.“Die VC verlangt unter anderem höhere garantierte Gehälter.
Locher forderte gleiche Streikrechte in Europa. „Bislang sind die Unterschiede bei den Tarifvertragsrechten in den europäischen Ländern zu groß. Das muss dringend vereinheitlicht werden.“Kurzfristig sehe er aber keine Verbesserung.
Die 24-stündige, abgestimmte Aktion war der bisher größte Pilotenstreik in der Geschichte der größten Billig-Airline Europas. Mitten in der Urlaubszeit mussten die Iren am Freitag jeden sechsten Flug ihres europaweiten Tagesprogramms absagen; etwa 55.000 Passagiere waren betroffen. Auf Deutschland entfielen 250 von 400 gestrichenen Verbindungen. Auch in Schweden, Irland, Belgien und den Niederlanden hatten Piloten ihre Arbeit niedergelegt, um bessere Arbeitsbedingungen zu erstreiten. Das Unternehmen teilte mit, dass trotz der Streiks rund 85 Prozent des ursprünglichen Flugplans eingehalten werden sollte.
Gewerkschaften und Ryanair beschuldigen sich gegenseitig, die seit rund sechs Monaten laufenden Verhandlungen zu blockieren. Die VC will bei der Airline erstmals ein System aus Vergütungs- und Manteltarifvertrag etablieren und zieht zum Vergleich Konkurrenten heran. Ryanair verweist auf relativ hohe Endgehälter ihrer Kapitäne und Copiloten, die über dem Niveau der Billig-Airlines Eurowings oder Norwegian lägen. Das Unternehmen will keine Vereinbarungen treffen, die sein Niedrigkostenkonzept in Frage stellen würden.
Unterdessen tut sich für das Unternehmen ein weiteres Konfliktfeld auf: Ab Mittwoch geht es um die Belange der rund 1000 in Deutschland stationierten Flugbegleiter. Die Gewerkschaft Verdi nimmt nach eigenen Angaben dann Verhandlungen zu einem nationalen Tarifvertrag mit dem irischen Billigflieger auf.
Zu den zentralen Forderungen gehöre eine substanzielle Entgeltsteigerung, teilte die Gewerkschaft mit. Durch saisonale Schwankungen und fehlende Flugstunden-Garantien könnten sogar einige Vollzeit-Beschäftigte als Grundgehalt monatlich nur bis zu 1000 Euro brutto erhalten. „Das ist völlig inakzeptabel“, sagte Bundesvorstandsmitglied Christine Behle. Ryanair müsse zudem deutsches Sozialrecht zu Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall anerkennen. Verdi will zudem gegen Befristungen, Leiharbeit und kurzfristige Versetzungen angehen.
Die in Deutschland mit Verdi konkurrierende Unabhängige Flugbegleiter-Organisation (Ufo) verhandelt parallel mit der Airline, hat aber anders als Verdi bislang keine Anerkennungsvereinbarung unterzeichnet. Nach deutschem Tarifrecht ist eine Anerkennung aber nicht zwingend nötig, um zu einem Tarifvertrag zu kommen. Beide Gewerkschaften stimmen sich mit Berufsorganisationen aus anderen Ländern ab.