Bis 2035 fehlen 175.000 Altenpfleger
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat ausgerechnet, wie die Pflegelücke in naher Zukunft größer werden wird. Gesundheitsminister Spahn hat das Problem erkannt, kann aber noch keine zufriedenstellenden Lösungen anbieten.
BERLIN In Deutschland werden bis 2035 angesichts der stark steigenden Zahl von Pflegebedürftigen 175.000 zusätzliche Altenpfleger benötigt. Das seien 44 Prozent mehr als heute, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Studie des arbeitgebernahen Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). 2035 seien voraussichtlich vier Millionen alte Menschen auf Pflege angewiesen, heute seien es gut drei Millionen. Um die Pflegelücke zu schließen, empfiehlt das Institut eine bessere Bezahlung von Altenpflegern, weniger Bürokratie und mehr Freiheiten für die Pflegeeinrichtungen.
Die Bundesregierung hat auf den Pflegenotstand bereits mit einem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz reagiert, mit dem sie 13.000 neue Stellen in der Altenpflege schaffen will. Diese Pläne können jedoch nur ein allererster Schritt sein, wie die Kölner Studie deutlich macht.
Derzeit seien bundesweit 244.000 Altenpfleger und 228.700 Altenpflegehelfer beschäftigt, so das IW. Im Jahr 2017 waren pro Monat durchschnittlich über 14.000 offene Stellen für Altenpfleger und 8000 für Altenpflegehelfer bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet, die erfahrungsgemäß aber nur jede zweite offene Stelle registriert. Auf je 100 gemeldete Stellen für Altenpfleger kämen derzeit gerade einmal 22 arbeitslose Fachkräfte. Immerhin konnte die Zahl der Fachkräfte in der Altenpflege von 2013 bis 2016 bereits um 15 Prozent gesteigert werden. Zudem sei die Zahl der Anfänger in der Altenpflegeausbildung in den vergangenen zehn Jahren um zwei Drittel gestiegen.
Der Schätzung des Personalbedarfs liegen gängige Bevölkerungsprognosen zugrunde. In einem Basisszenario hat das IW ausgerechnet, wie hoch die Pflegelücke wäre, wenn sich die steigende Lebenserwartung nicht positiv auf die Pflegefallwahrscheinlichkeit auswirken würde. In diesem Fall fehlten 175.000 Fachkräfte im Jahr 2035. Würden Ältere dagegen durchschnittlich erst ein Jahr später als derzeit pflegebedürftig, fehlten im positiveren Szenario 2035 „nur“130.000 Fachkräfte.
„Um die Pflegelücke zu schließen, muss der Altenpflegeberuf attraktiver werden“, sagte Studienautorin Susanna Kochskämper. Das durchschnittliche Brutto-Einkommen eines Altenpflegers liege derzeit bei 2631 Euro monatlich und damit um etwa 16 Prozent unter im Jahr 2035 Anteil der Pflege bis 4 % bis 5 % bis 6 % ab 6 % dem der Krankenpfleger. Bestehe dieses Lohngefälle fort, würden sich viele auch in Zukunft eher für die Kranken- als für die Altenpflege entscheiden. Die Arbeitgeber müssten künftig auch stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Altenpfleger eingehen.
Das IW plädierte vor allem für eine Deregulierung der Pflegebranche. Die gesetzlichen Vorgaben etwa der Bundesländer für Altenpflegeeinrichtungen seien zu eng gefasst, sagte IW-Direktor Michael Hüther. Arbeitgebern seien damit zu stark die Hände gebunden, wenn sie Jobs attraktiver machen wollten. Anbieter müssten auch mehr eigene Renditen erwirtschaften dürfen. Er forderte eine automatische Anpassung der Leistungen der Pflegeversicherung an die Entwicklung der Pflegepreise. Sonst müssten die Betroffenen immer höhere Eigenanteile für die Pflege zahlen. Die Pflege drohe zur „Politik nach Kassenlage“zu werde.
Am Pflegepersonal-Stärkungsgesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bemängelte das IW, es bringe noch mehr Bürokratie und solle zeitlich befristet gedeckelte Budgets bereitstellen. Spahn verteidigte seine Pläne. „Wir werden mehrere zehntausend Pflegekräfte zusätzlich benötigen in den nächsten Jahren. Und die finden wir nur, wenn wir den Beruf attraktiver machen, besser bezahlen und auch Fachkräfte aus dem Ausland anwerben“, sagte er. Bessere Pflege koste aber auch, weshalb die Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte Anfang 2019 angehoben werden müssten.