Merkel lehnt Vertrauensfrage ab
Am Tag nach der Schlappe der Bundeskanzlerin bei der Wahl des Unionsfraktionschefs geht die Debatte um das Ende der Ära Merkel weiter. Gibt sie womöglich den Parteivorsitz ab?
BERLIN Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat es nach ihrer Niederlage bei der Wahl des Unionsfraktionschefs abgelehnt, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. „Ein ganz klares Nein“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert auf Nachfrage. Der neue Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus nannte die Forderung „Blödsinn“. Die Debatte um das Ende der Ära Merkel ging dennoch weiter. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat den CDU-Vorstand gebeten, sich nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen am 4. und 5. November Zeit für eine außerordentliche Klausur freizuhalten. Dann dürfte es auch um die Frage gehen, ob Kanzlerin Merkel noch einmal als Parteichefin antritt.
FDP und Linkspartei hatten bereits gefordert, dass sich die Kanzlerin ihrer parlamentarischen Mehrheit versichert, nachdem ihr Vertrauensverlust in der Union durch die Wahl von Brinkhaus zum neuen Fraktionschef offensichtlich geworden war. Gegen Merkels Wunsch und Appelle war Brinkhaus am Dienstag in einer Kampfkandidatur gegen den jahrelangen Fraktionschef Volker Kauder mit 125 zu 112 Stimmen gewählt worden.
Das Ergebnis ist in allen politischen Lagern und auch im Ausland als eine Erosion von Merkels Autorität interpretiert worden. Während in der Unionsfraktion auch am Mittwoch die Stimmung noch aufgewühlt war, bemühte sich der neue Fraktionschef, die Wogen zu glätten. In mehreren Interviews setzte Brinkhaus das Signal, dass er sich nicht als Gegenspieler Merkels sieht. „Die Fraktion steht hinter Merkel. Das ist gar keine Frage“, sagte Brinkhaus dem Sender n-tv.
Ein Zeichen der Kontinuität setzte Brinkhaus mit seiner ersten Personalie. Er einigte sich mit dem bisherigen Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer darauf, dass dieser seinen Job behalten soll. „Ich freue mich darüber, diese verantwortungsvolle Aufgabe erneut übernehmen zu können. In herausfordernden Zeiten kann ich damit weiterhin meinen Beitrag leisten für eine starke und erfolgreiche Arbeit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion“, sagte Grosse-Brömer unserer Redaktion. Eine bemerkenswerte Entscheidung: Grosse-Brömer war Kauders Vertrauter und hatte sich mit Leidenschaft für eine weitere Amtszeit des altgedienten Fraktionschefs eingesetzt.
Mit der Wahl von Brinkhaus ist der NRW-Landesverband so mächtig wie nie zuvor. In der Fraktion gibt es bereits Ärger, insbesondere aus Baden-Württemberg, dem Heimatland von Kauder. Der noch vakante Posten eines Vize-Fraktionschefs soll nun mit einem Baden-Württemberger besetzt werden.
Unmut herrscht auch bei Bundestagsabgeordneten aus Bayern und Hessen, die durch den Aufruhr in Berlin Stimmenverluste bei ihren Landtagswahlen im Oktober fürchten. Im Fall dramatischer Einbußen für Hessens Ministerpräsidenten Volker Bouffier werde Merkel beim Parteitag im Dezember in Hamburg nicht wieder als Parteichefin antreten, sondern den Weg freimachen, heißt es in CDU-Kreisen. Sollte Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer oder NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, die beide Merkel nahe stehen, an die Parteispitze aufrücken, könne sie laut CDU-Kreisen Kanzlerin bleiben. Würde Gesundheitsminister Jens Spahn den Parteivorsitz anstreben, gäbe es die nächste Kampfkandidatur und eine weitere Beschädigung Merkels.