Das Virus des Populismus
Immer mehr Deutsche sind für populistische Parolen und Parteien wie die AfD empfänglich. Gleichzeitig nimmt laut einer Umfrage die Zufriedenheit mit der gelebten Demokratie ab. Woran liegt das und was hilft dagegen?
Für viele Menschen, die Nachrichten schauen und sich ab und an in sozialen Netzwerken tummeln, war es bisher eher ein diffuses Gefühl denn Gewissheit, dass die Gesellschaft empfänglicher für Populisten wird. Jetzt will eine Studie herausgefunden haben, dass dem tatsächlich so ist. Aus dem sogenannten Populismusbarometer 2018, das die Bertelsmann-Stiftung und das Wissenschaftszentrum Berlin am Montag vorstellten, geht hervor, dass gut drei von zehn Wahlberechtigten (30,4 Prozent) „populistisch eingestellt“sind. Im Vorjahr waren es noch rund vier Prozentpunkte weniger. Hinzu kommt, dass die Intensität dieser Einstellung in der Bevölkerung zugenommen hat, wie die Forscher feststellten.
Doch wie verträgt sich der Aufstieg von Parteien wie der AfD mit der seit Jahren boomenden Wirtschaft und einer Beschäftigungsquote, die steigt und steigt?
Die Studienautoren sehen im Populismus zunächst eine ideologische Haltung, die zwischen einem „wahren Volk“und „korrupten Eliten“unterscheidet. Die Kritik an diesen Eliten, zu denen die Forscher etwa Politiker, Manager und Journalisten zählen, wird als Kritik am „Establishment“zusammengefasst. Begriffe wie Klüngel, Arroganz, Abgehobenheit schwingen dabei mit, es ist die Einteilung in unten und oben, in wir und die. Im Populismus kommt die Vorstellung hinzu, dass es einheitliche Meinungen sowohl auf der Seite des Volkes als auch bei der Elite gebe. Kampfbegriffe wie „Lügenpresse“oder „Meinungskartell“bilden das ab und leisten oft auch Verschwörungstheorien Vorschub. Für die tatsächlich existierende Meinungsvielfalt ist im Populismus kein Platz.
International oder gar global aufgestellte Systeme wie der Warenstrom, die Finanzmärkte oder politische Institutionen wie die Vereinten Nationen stehen im krassen Gegensatz zum Wunsch der Populisten nach einfachen Antworten in einem Schwarz-Weiß-Muster, nach klaren Strukturen, am besten in einer bipolaren Welt. Die Gesellschaft erfährt nach Ansicht der Forscher eine zunehmende Spaltung. Es tut sich ein Graben auf zwischen den sich selbst zu den Gewinnern der Globalisierung zählenden Kosmopoliten, die für offene Grenzen streiten und nationale Souveränitätsrechte bei der Europäischen Union gut aufgehoben sehen. Auf der anderen Seite des Grabens stehen jene Menschen, die vom florierenden Arbeitsmarkt nichts spüren oder von Nebeneffekten einer globalisierten Welt wie zunehmender Migration verunsichert sind.
Das politische Angebot zumindest der großen Parteien der Mitte, also der Union und der SPD sowie der Grünen und der FDP, richtet sich jedoch in der Wahrnehmung der Populisten zuvörderst an die Kosmopoliten. So erklären die Forscher trotz der guten Wirtschaftslage eine große Unzufriedenheit populistisch eingestellter Menschen mit vielen politischen Akteuren. Die AfD kann dadurch punkten, die Linkspartei ebenfalls. Für die mitgliederstarken Traditionsparteien CDU, CSU und SPD wird dieser Trend dagegen zur Gefahr.
Insbesondere die Sozialdemokraten müssten sich davor in Acht nehmen, dass die AfD oder auch die neue Sammlungsbewegung der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht häufiger die Interessen der klassischen Arbeiterklientel abdecken, so Studienautor und Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel.
Die Grünen hingegen sind nach Einschätzung der Forscher die deutsche Partei, die am wenigsten populistische Positionen im Angebot hat. Das sei für die Grünen aber kein Problem, da ihre Anhängerschaft fast ausschließlich jenem Drittel der Bevölkerung zuzurechnen sei, das für populistische Parolen unempfänglich sei.
Im Populismus herrscht die Vorstellung, dass es einheitliche Meinungen auf der Seite des Volkes und bei der sogenannten Elite gebe
2018, in Prozent unter 1500 Euro 1500 bis 4000 Euro30,5 über 4000 Euro unter 1500 Euro 1500 bis 4000 Euro über 4000 Euro 2018, in Prozent max. Hauptschulabschluss Mittlere Reife mind. Abitur/Fachhochschulreife max. Hauptschulabschluss Mittlere Reife mind. Abitur/Fachhochschulreife