Spahns Termin im Weißen Haus
Der Bundesgesundheitsminister war zu Beratungen über Biobomben in Washington.
BERLIN Stellen wir uns kurz vor, der deutsche Gesundheitsminister hieße weiter Hermann Gröhe und müsste sich damit beschäftigen, wie nach den Vorbereitungen eines Islamisten für den Bau einer Biobombe in Köln der Katastrophenschutz verbessert werden kann – das Publikum wäre doch sehr überrascht, wenn sich Gröhe eines Morgens zu Besprechungen über Biobombenvorkehrungen aus dem Weißen Haus in Washington melden würde. Diesen Überraschungsmoment hat an diesem Dienstag auch Gröhe-Nachfolger Jens Spahn bewirkt, gefolgt freilich von einem weiteren Effekt: Da zeigt einer, dass er auch die internationalen Zusammenhänge in den Griff zu nehmen versteht und jetzt schon über ein Netzwerk verfügt, das bis in die Nähe des US-Präsidenten reicht.
Eine – naheliegende – Unterredung mit dem US-Gesundheitsminister wäre bestenfalls auf Augenhöhe gewesen. Spahn landete indes im direkten Umfeld von Donald Trump: bei dessen Sicherheitsberater John Bolton. „Wir waren uns einig, dass wir auf diesem Gebiet noch enger zusammenarbeiten müssen, um im Krisenfall schneller reagieren zu können“, lautete Spahns Kommuniqué, das er der Deutschen Presse-Agentur gab. Und es wurde auch bekannt, dass Bolton eine „gute halbe Stunde“für die Unterredung mit dem Gast aus Deutschland hatte. Es ist bisher wohl äußerst selten bis nie vorgekommen, dass ein Nationaler Sicherheitsberater der USA den Gesundheitsminister eines anderen Landes empfangen hat. Von einer „Überraschung“war deshalb auch in Washington die Rede.
Spahn versteht sich auf Überraschungsmomente. Als der CDU-Parteitag sich 2016 in der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft gegenüber dem Koalitionspartner geschmeidig aufstellen wollte, sprang Spahn auf und drehte mit einer kurzen Intervention das angepeilte Abstimmungsergebnis. Und schon 2014 hatten seine Netzwerke funktioniert, als er den vom Partei-Establishment für einen Präsidiumsplatz vorgesehenen Gröhe verdrängen und selbst in die Parteiführung einrücken konnte.
Die Reise ins Zentrum der Weltmacht kann zudem in einem Zusammenhang mit der Wahl von Ralph Brinkhaus zum Unionsfraktionschef gesehen werden. Dass der Ostwestfale diese zentrale Machtfunktion übernommen hat, kommt den Ambitionen des Münsterländers Spahn in die Quere. Denn zwei NRW-Leute an der Spitze von Fraktion oder Partei oder Regierung – das kollidiert mit dem Proporzdenken der Union. So muss man sich denn beizeiten anderweitig in eine optimale Ausgangsposition schieben und dafür sorgen, Mitglied der Kronprinzenriege zu werden. Zum Beispiel, indem man nicht nur für Verantwortung im Gesundheitsbereich gehandelt werden kann.
Wie Spahn zu der Vorzugsbehandlung im Weißen Haus kam, ist leicht zu erschließen. Der Trump-Vertraute Richard Grenell verriet Spahn-Biograf Michael Bröcker: „Wir wären wohl auch Freunde, wenn wir uns auf der Uni kennengelernt hätten.“Seit Grenell US-Botschafter in Berlin ist, hat sich mit Verspätung dann doch eine Freundschaft zwischen Grenell und Spahn entwickelt. Für Grenell ist Spahn inzwischen eine Art „Berater“geworden. Termine im Weißen Haus inklusive.