Von Ufer zu Ufer in Hitdorf am Rhein
Ein Fahrt mit der Fähre ist ein Muss für jeden Ausflügler. Aktuell ist unsicher, wie lange die Fähre noch fahren kann. Denn der Pegel sinkt und sinkt.
HITDORF Reiner Haack kennt sie alle. „Das müsste die MS Amaverde sein, die kommt aus der Schweiz“, erklärt er. Der Senior sitzt auf seinem schwarzen Klappstuhl am Hitdorfer Rheinufer und schaut mit seinem Fernglas den Schiffen hinterher. „Ich bin mal gespannt, wie lange die noch fahren können, bei dem Niedrigwasser.“
Der Senior aus Wermelskirchen kommt seit mehr als 50 Jahren samt Stuhl und Fernglas nach Hitdorf gefahren. Früher nur am Wochenende, seit er Rentner ist nahezu täglich. „In 25 Minuten bin ich hier, und hier ist es einfach am schönsten“, sagt er. Bis zu sechs Stunden am Stück sitzt er dann auf seinem angestammten Platz am Ufer, genießt sein „Naturfernsehen“und hält zwischendurch einen Plausch mit den Spaziergängern. „Man kennt sich ja.“Und Rainer Haack weiß viel zu erzählen: „Dort, wo das Krancafé ist, da wurde früher Holz verladen. Hier war nämlich eine Streichholzfabrik“, erzählt er. Und dann sei da noch diese Möwe, wegen der immer wieder Ornithologen eigens nach Hitdorf kämen. „Das muss irgendein ganz seltenes Exemplar sein, das hier sesshaft geworden ist.“
Und richtig, auch Ines Bejger, seit Mitte der 1990er Jahre Chefin im „Biergarten zur Hitdorfer Fähre“, kennt die Möwengeschichte. Sie weiß sogar: „Das ist die nordamerikanische Ringschnabelmöwe – ganz selten.“Aus ganz Deutschland kämmen die Vogelkundler samt Ausrüstung, um einen Blick auf das seltene Tier zu erhaschen. „So richtig verstehen kann ich das nicht“, sagt sie mit ihrem wunderbaren Berliner Dialekt und lacht.
Überhaupt, die Gastronomin lacht gerne und oft. „Ich bin einfach glücklich über diesen tollen, verlängerten Sommer“, sagt sie. „Jeden Tag denke ich, dass es morgen schon vorbei sein könnte mit dem Superwetter.“Aber so lange das nicht der Fall ist, freut sie sich über den unerwarteten Gäste-Ansturm zur Herbstferienzeit. Da sind etwa die Großeltern, die ihre Enkel von der Biergarten-Terrasse aus beim Toben auf dem Spielplatz beobachten und hinterher ein Eis oder Kuchen spendieren. Da sind die Jungs, die auf der Wiese Fußball spielen und sich zwischendurch eine Limo kaufen. Und da sind die vielen Spaziergänger, Radler, Hundebesitzer, Boulespieler und Ausflügler, die den Sonnenschein mit Weißwurst, Zwiebelkuchen, Federweißer und Mühlen Kölsch genießen, bis es dunkel wird. Denn erst dann macht das Biergarten-Team Feierabend.
Ähnlich lange, nämlich bis 19.30 Uhr, ist die Hitdorfer Rheinfähre unterwegs. Hin und her geht es im 15-Minutentakt zwischen Hitdorf und Köln-Langel, jedes Mal rund 400 Meter über den Fluss. Chef an Bord ist an diesem Morgen Frank Diehl. „Um halb sechs heute Morgen bin ich mit dem Rad zur Arbeit gefahren und habe an Bord einen wunderschönen Sonnenaufgang gesehen“, erzählt der Hitdorfer. Wenn er die Spätschicht übernimmt, dann erlebt er den Sonnenuntergang. Und auch der hat es in diesem Super-Herbst in sich – aber Frank Diehl, ganz Profi, sieht das eher pragmatisch: „Wenn die Sonne so tief steht und mich blendet, dann ist das nicht gut.“Trotzdem, gibt er zu, habe er am Vorabend ausnahmsweise mal ein Foto mit dem Handy gemacht. „Weil die Bäume in der Abendsonne so schön aussahen.“Bei diesem Wetter sei sein Arbeitsplatz natürlich fantastisch, sagt Diehl. Noch besser hat es allerdings Cedrik Nguyen, der Kassierer, denn der kann sich draußen auf der Fähre aufhalten. „Aber ich bin gerade auch dabei, den Fährführerschein zu machen“, erzählt der 26-Jährige. So wie sein Onkel, der später am Tag die Spätschicht übernehmen wird.
Ab sechs Uhr morgens kommen die Berufspendler, dann ist richtig viel los. Aber selbst nach zehn Uhr hört es an einem ganz normalen Wochentag in den Herbstferien nicht auf: Radfahrer, Kinder-Feriengruppen, kleine Lastwagen und immer wieder Autofahrer wollen übersetzen. „Und wenn an diesem Wochenende die A 1 dicht ist, dann machen wir uns auf einen Riesenansturm gefasst. Je nachdem, welche Strecke man fährt, spart man mit der Fähre immerhin bis zu 15 Kilometer“, sagt Diehl. Und schöner ist es sowieso: Am Ufer tummeln sich die Hitdorfer Schwäne, manchmal sind es bis zu 20 Tiere, und das Wasser glitzert in der Sonne.
Dennoch sagt Frank Diehl: „Dieses Jahr war ein Jahr der Extreme. Im Januar das Hochwasser und jetzt der extrem niedrige Pegel.“Auch an diesem Vormittag rufen ständig Leute im Führerhäuschen an und fragen, ob die Hitdorfer Fähre überhaupt noch fährt. Bereits seit dem 15. Juli kann sie nicht mehr den ursprünglichen Anleger anfahren, weil der viel zu hoch aus dem Wasser ragt. Stattdessen steuert die Fähre die Ersatzrampe rechts daneben an, weil die tiefer liegt. „Auch für die Schifffahrt ist der Niedrigpegel ein Riesenproblem“, sagt der Fachmann. „Lange geht das nicht mehr gut.“