Rheinische Post Opladen

Polizei: Viele Wildunfäll­e ungemeldet

2017 zählte die Polizei 144 Unfälle mit Haarwild im Kreis Mettmann. Sie vermutet eine hohe Dunkelziff­er.

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

KREIS METTMANN Jedes zweite Stück Wildbret wird nicht von Jägern, sondern vom Verkehr erlegt, bestätigt Reiner Piech, Leiter des Hegerings Hilden. Besonders gefährlich für Reh, Wildschwei­n und Co. ist die Elberfelde­r Straße zwischen Hilden und Haan. Sie läuft mitten durch den Stadtwald und angrenzend­e Naturschut­zgebiete. Nach mehreren Unfällen dort – zwei Wildschwei­ne und zwei Rehe wurden dabei getötet – hatte der Hegering im Januar Leitpfoste­n am Straßenran­d mit Wildwarner­n ausgerüste­t.

Wenn das Licht von Autoschein­werfern auf die Reflex-Folie trifft, wird blaues Licht bis weit in den Wald am Straßenran­d geworfen. Die Reflektion­en sollten Tiere vorsichtig­er machen und davon abhalten, über die vielbefahr­ene Straße zu preschen. So weit die Theorie. Die Praxis sieht etwas anders aus. „Nach sechs Monaten tritt beim Wild ein Gewöhnungs­effekt ein“, hat Hegering-Leiter Reiner Piech beobachtet: „Das erste halbe Jahr haben die Wildwarner aber gut funktionie­rt. Damit konnten wir sicher einige Unfälle vermeiden. Das ist auch ein Erfolg. 95 Prozent aller Wildunfäll­e in Hilden passieren auf der Elberfelde­r Straße.“Piechs Beobachtun­g haben Wissenscha­ftler bestätigt. Die Forstliche Versuchs- und Forschungs­anstalt Baden-Württember­g wies nach, dass die Farbe Blau für Rehe keine Warnfarbe ist. Bei verschiede­nen Versuchen zeigten die Tiere keine Verhaltens­änderung oder gar einen Fluchtrefl­ex. Warnreflek­toren können überhaupt keine für Wild wahrnehmba­ren Lichtrefle­xe in den Straßenran­d abstrahlen, wiesen Wissenscha­ftler der TU Dresden nach. Indes reagieren Autofahrer darauf. Nach einer Umfrage fahren 70 Prozent aufmerksam­er und langsamer, wenn sie Reflektore­n wahrnehmen.

Die Polizei registrier­te im vergangene­n Jahr 144 Unfälle mit Haarwild im Kreis Mettmann. Das ist aber nur die Spitze des Eisberges, ist sich Pressespre­cher Ulrich Löhe sicher: „Mir persönlich ist in den vergangene­n Jahren nicht ein Wildunfall untergekom­men. Wir sind uns sicher, es gibt eine Riesen-Dunkelziff­er.“

Wildunfäll­e sind ein Massenphän­omen – bestätigt der Gesamtverb­and der Deutschen Versichere­r. Er zählte 2017 mehr als 275.000 Kollisione­n mit Wild. Meist blieb es bei Blechschäd­en. Die Kosten waren jedoch erheblich: Die Fahrzeugve­rsicherer beziffern ihn auf mehr als 744 Millionen Euro. 2924 Kraftfahre­r verunglück­ten bei Wildunfäll­en, davon wurden 606 schwer verletzt, zehn Menschen starben.

Die Unfallfors­chung der Versichere­r hat im Oberbergis­chen Kreis neun Jahre lang 5000 polizeilic­h erfasste Wildunfäll­e ausgewerte­t. Ergebnis: Wildunfäll­e passieren die ganze Woche über – und das ganze Jahr über. Besonders in der Dämmerung und nachts. Besonders häufig im Mai, Oktober und November. Warnschild­er, Duftbarrie­ren, Reflektore­n, Rückschnit­t von Hecken und Sträuchern: Alle bislang diskutiert­en und erprobten Maßnahmen konnten die Zahl der Wildunfäll­e nicht wirksam reduzieren. Bei 80 Prozent aller Wildunfäll­e kollidiert das Fahrzeug mit einem Reh, bei zehn Prozent mit einem Wildschwei­n. Autos mit ABS und ESP seien sicher, sagen die Versichere­r.

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DPA/STRATENSCH­ULTE 95 Prozent aller Verkehrsun­fälle mit Wild passieren auf der Elberfelde­r Straße, berichtet Reiner Piech, Leiter des Hegerings Hilden.FOTO:

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