Polizei: Viele Wildunfälle ungemeldet
2017 zählte die Polizei 144 Unfälle mit Haarwild im Kreis Mettmann. Sie vermutet eine hohe Dunkelziffer.
KREIS METTMANN Jedes zweite Stück Wildbret wird nicht von Jägern, sondern vom Verkehr erlegt, bestätigt Reiner Piech, Leiter des Hegerings Hilden. Besonders gefährlich für Reh, Wildschwein und Co. ist die Elberfelder Straße zwischen Hilden und Haan. Sie läuft mitten durch den Stadtwald und angrenzende Naturschutzgebiete. Nach mehreren Unfällen dort – zwei Wildschweine und zwei Rehe wurden dabei getötet – hatte der Hegering im Januar Leitpfosten am Straßenrand mit Wildwarnern ausgerüstet.
Wenn das Licht von Autoscheinwerfern auf die Reflex-Folie trifft, wird blaues Licht bis weit in den Wald am Straßenrand geworfen. Die Reflektionen sollten Tiere vorsichtiger machen und davon abhalten, über die vielbefahrene Straße zu preschen. So weit die Theorie. Die Praxis sieht etwas anders aus. „Nach sechs Monaten tritt beim Wild ein Gewöhnungseffekt ein“, hat Hegering-Leiter Reiner Piech beobachtet: „Das erste halbe Jahr haben die Wildwarner aber gut funktioniert. Damit konnten wir sicher einige Unfälle vermeiden. Das ist auch ein Erfolg. 95 Prozent aller Wildunfälle in Hilden passieren auf der Elberfelder Straße.“Piechs Beobachtung haben Wissenschaftler bestätigt. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg wies nach, dass die Farbe Blau für Rehe keine Warnfarbe ist. Bei verschiedenen Versuchen zeigten die Tiere keine Verhaltensänderung oder gar einen Fluchtreflex. Warnreflektoren können überhaupt keine für Wild wahrnehmbaren Lichtreflexe in den Straßenrand abstrahlen, wiesen Wissenschaftler der TU Dresden nach. Indes reagieren Autofahrer darauf. Nach einer Umfrage fahren 70 Prozent aufmerksamer und langsamer, wenn sie Reflektoren wahrnehmen.
Die Polizei registrierte im vergangenen Jahr 144 Unfälle mit Haarwild im Kreis Mettmann. Das ist aber nur die Spitze des Eisberges, ist sich Pressesprecher Ulrich Löhe sicher: „Mir persönlich ist in den vergangenen Jahren nicht ein Wildunfall untergekommen. Wir sind uns sicher, es gibt eine Riesen-Dunkelziffer.“
Wildunfälle sind ein Massenphänomen – bestätigt der Gesamtverband der Deutschen Versicherer. Er zählte 2017 mehr als 275.000 Kollisionen mit Wild. Meist blieb es bei Blechschäden. Die Kosten waren jedoch erheblich: Die Fahrzeugversicherer beziffern ihn auf mehr als 744 Millionen Euro. 2924 Kraftfahrer verunglückten bei Wildunfällen, davon wurden 606 schwer verletzt, zehn Menschen starben.
Die Unfallforschung der Versicherer hat im Oberbergischen Kreis neun Jahre lang 5000 polizeilich erfasste Wildunfälle ausgewertet. Ergebnis: Wildunfälle passieren die ganze Woche über – und das ganze Jahr über. Besonders in der Dämmerung und nachts. Besonders häufig im Mai, Oktober und November. Warnschilder, Duftbarrieren, Reflektoren, Rückschnitt von Hecken und Sträuchern: Alle bislang diskutierten und erprobten Maßnahmen konnten die Zahl der Wildunfälle nicht wirksam reduzieren. Bei 80 Prozent aller Wildunfälle kollidiert das Fahrzeug mit einem Reh, bei zehn Prozent mit einem Wildschwein. Autos mit ABS und ESP seien sicher, sagen die Versicherer.