Rheinische Post Opladen

„Kette“ist Baumbergs Mann in China

Marco Ketelaer gehörte bis zum Sommer noch zum Trainersta­b des Fußball-Oberligist­en. Jetzt arbeitet er im Reich der Mitte.

- VON MICHAEL DEUTZMANN

MONHEIM Irgendwie war klar, dass es so kommt. Schon an der Sandstraße im Trainersta­b des Fußball-Oberligist­en SF Baumberg (SFB) galt Marco Ketelaer als offener Typ. Der 49-Jährige, den eigentlich alle nur „Kette“nennen, geht auf Menschen zu – und er ist Neuem gegenüber sehr aufgeschlo­ssen. Deshalb war erstens logisch, dass er das Angebot annehmen würde, aus seiner Arbeit für die „Knappen-Fußball-Schule“des Bundesligi­sten FC Schalke 04 mehr zu machen. Die Übersetzun­g in diesem Fall: „Ich gehe für ein Jahr nach China.“

Seit Anfang September lebt der Fußballer aus Leidenscha­ft nun seinen Traum. Und bereut hat er seinen Schritt noch keine Sekunde – im Gegenteil. „Alles in allem fühle mich unheimlich wohl hier“, sagt Ketelaer, „und ich bin sehr dankbar, dies alles erleben zu dürfen. Man sieht mich nicht als ausländisc­hen Gast, sondern ich bin schon ein Teil des Ganzen. Ich bin voll integriert.“

Ketelaers Arbeitspla­tz als Trainer ist die 3,5-Millionen-Stadt Kunshan und sein Arbeitsgeb­er eine dortige Fußball-Entwicklun­gs-Gesellscha­ft. Zunächst sollte er sich federführe­nd vor allen Dingen um den sportliche­n Nachwuchs in der Altersklas­se U 11 kümmern. Inzwischen ist allerdings mehr draus geworden, denn junge Spieler der Altersklas­sen U 9 und U 13 gehören jetzt ebenfalls zu seinen Schützling­en. „Mein Tätigkeits­feld hat sich erweitert“, bestätigt Ketelaer, „es geht einfach darum, die breite Basis zu fördern und die Jungs dann möglichst bei der Stange zu halten.“Weil der enge Bezug zu den Schalkern nach wie vor lebt, gibt es zudem immer wieder eine Rückkopplu­ng und Unterstütz­ung aus der Heimat.

Als sich der gebürtige Mönchengla­dbacher vor zwei Monaten im September in Kunshan einzuricht­en begann, musste er nicht ganz bei null anfangen – weil er die Verhältnis­se von ein paar Kurz-Aufenthalt­en vorher immerhin ein bisschen einzuschät­zen wusste. Und ein fremdes Sprachenge­misch? Andere Menschen? Eine ganz andere Kultur? Marco Ketelaer saugt alles in sich auf. Und wo die Sprachkenn­tnisse auf beiden Seiten nicht reichen, nehmen sie eben Hände und Füße zu Hilfe. So hat die Verständig­ung mehr oder weniger von Beginn an ganz gut funktionie­rt – zur Not auch in einer kuriosen Mischung aus chinesisch­em Dialekt, Englisch und Deutsch. Ketelaer muss im Rückblick fast sogar lachen: „Da haben wir uns manchmal dabei erwischt, wie in einem Satz drei verschiede­nen Sprachen vorkamen.“

Das bunte Durcheinan­der trug Früchte, denn beim „Kunshan-Cup“kürzlich boten die Gastgeber überzeugen­de Leistungen. Der Turniersie­g ging trotzdem an die Schalker, die das Finale gegen Düsseldorf gewannen (4:2). „Das Ganze war aber nicht nur ein sportliche­r Vergleich, sondern auch ein Treffen junger Sportler aus unterschie­dlichen Kulturen“, betont Ketalaer.

Im Riesenreic­h China sieht er sich in seiner Freizeit intensiv um und viele Dinge an. Längst hat Ketelaer eine Stamm-Bankfilial­e und ein Lieblingsb­äckerei. „Ich glaube, da könnte ich sogar anfangen“, scherzt der Fußballer aus Leidenscha­ft. Seine Welt ist nicht die Politik, sondern der direkte Kontakt zu den Menschen. „Viele geben mir zu verstehen: Du gehörst zu uns“, erzählt Marco Ketelaer, der daran nicht mal was Besonderes findet: „Das hängt doch einfach davon ab, wie du dich selber gibst. Dann ergibt sich das in kürzester Zeit.“Nach dem Stand von jetzt steht schon fest, dass er das vorgesehen­e eine Jahr auf jeden Fall durchzieht. Und dann? „Ich würde sagen, Ende offen.“Weil Ketelaer bei aller Euphorie auch eine ausgeprägt­en Sinn für die Realität hat, weiß er, dass vermutlich irgendwann so etwas Ähnliches wie der Alltag einkehrt: „Im Moment bin ich einfach super-happy. Nach einem halben Jahr werde ich aber vermutlich alles gesehen haben.“

Wenig zu sehen bekommt Ketelaer zurzeit natürlich von den Sportfreun­den Baumberg, deren Entwicklun­g er trotzdem über die digitalen Medien verfolgt: „Ich freue mich tierisch, dass sie im Moment wieder so gut stehen. Es zeigt sich, dass da eine gewachsene Mannschaft auf dem Platz steht. Paco und Ede machen das überragend.“Paco heißt mit vollem Namen Francisco Carrasco und ist als Trainer für die Auftritte des Teams verantwort­lich. „Mit ihm habe ich noch regelmäßig Kontakt“, erklärt Ketelaer, der erst in ein paar Wochen erneut für einen kurzen Besuch nach Hause kommt. Weihnachte­n wird er mit seinem im Sommer eingeschul­ten Sohn und seiner Familie verbringen. Dann zieht es selbst einen wie ihn, der neugierig auf das Fremde und das Neue ist, zurück zu den Wurzeln.

„Ich bin dankbar, dass erleben zu dürfen. Ich bin ein Teil des Ganzen und voll integriert“Marco Ketelaer

Fußballer aus Leidenscha­ft

 ??  ?? Zwei Herzen schlagen in seiner Brust: Der FC Schalke 04 hat Marco Ketelaer nach China geschickt und Kunshan ist jetzt seine Heimat auf Zeit. Fachverkäu­fer: Marco Ketelaer findet das Angebot an Backwaren in Kanshun überragend. Auch hinter der Ladentheke kommt er gut zurecht.
Zwei Herzen schlagen in seiner Brust: Der FC Schalke 04 hat Marco Ketelaer nach China geschickt und Kunshan ist jetzt seine Heimat auf Zeit. Fachverkäu­fer: Marco Ketelaer findet das Angebot an Backwaren in Kanshun überragend. Auch hinter der Ladentheke kommt er gut zurecht.
 ??  ?? So geht Bank in China: Roboter sollen dem Kunden den Weg weisen. Marco Ketelaer hat sich schnell an den erstaunlic­hen „Mitarbeite­r“gewöhnt.
So geht Bank in China: Roboter sollen dem Kunden den Weg weisen. Marco Ketelaer hat sich schnell an den erstaunlic­hen „Mitarbeite­r“gewöhnt.
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