Kirche sucht Jugend
Die EKD-Synode berät in Würzburg, wie man stärker auf junge Leute zugehen kann.
WÜRZBURG „Veränderung in der evangelischen Kirche ist nichts, was leichtgängig ist“, sagt die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, am Rande der Tagung des Evangelischen Kirchenparlaments in Würzburg. Doch die Kirche muss sich verändern: Denn vor allem die junge Generation wird von Deutschlands Protestanten immer weniger erreicht. Zwar heißt es in der aktuellen Shell-Jugendstudie, dass es rund zwei Drittel aller Jugendlichen gut fänden, dass es die Kirche gebe. „Aber rund zwei Drittel sagen auch, dass sich die Kirche ändern muss, wenn sie eine Zukunft haben will“, sagte der Sozialwissenschaftler Ulrich Schneekloth, der an der Erstellung der Jugendstudie beteiligt war. Und 57 Prozent der Jugendlichen sagten, auf die Fragen, die sie wirklich bewegten, habe die Kirche keine Antwort. Der Sozialwissenschaftler Gerhard Wegener machte gar eine „postchristliche Generation“aus.
Doch noch scheint die Synode keine Antwort auf die Frage zu haben, wie man stärker auf Jugendliche zugehen kann. Bei einer Podiumsdiskussion hatte man Jugendliche eingeladen, die über ihre Fragen an die Kirche sprechen sollten. Einer der Teilnehmer war der Musiker Johannes Falk: Er sagte, in den Kirchen geschehe viel, was den normalen Menschen nichts sage. „Es ist keiner da, der mal normal redet, wie ein Otto Normalverbraucher.“Doch Falk hatte kirchlichen Hintergrund, wie alle auf dem Podium. Mit Menschen, die der Kirche von vornherein fern standen, sprach die Synode gar nicht. Und auch der Begriff der Jugend wurde weitläufig ausgelegt:„Ich bin jetzt Anfang 40“, sagte Falk. Im Kirchenparlament immerhin kursieren Vorschläge der Einführung einer Jugendquote: Nach dem Vorbild des Lutherischen Weltbundes, der dieses Prinzip bereits 1984 beschlossen hatte, könnten bald auch in den Gremien der EKD 20 Prozent der Delegierten Menschen zwischen 18 und 30 Jahren sein.
Überschattet freilich wird die Tagung des Kirchenparlaments vom Thema Sexueller Missbrauch. Bereits am Sonntag hatte sich der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm dazu positioniert. „Ich bitte alle Menschen, denen solches Leid im Raum der evangelischen Kirche widerfahren ist, um Vergebung“, sagte Bedford-Strohm. „Auch wir müssen weitere Konsequenzen ziehen, noch intensiver an Präventionskonzepten und zielgenauer Aufarbeitung arbeiten: Null-Toleranz gegenüber Tätern und Mitwissern, dafür stehen wir in der Pflicht.“Bislang sind in der Evangelischen Kirche bundesweit rund 500 Missbrauchsfälle bekannt, deutlich weniger als im Katholizismus. Doch viele Landeskirchen hinken mit Aufarbeitung und Prävention hinterher. „Wir sind als Kirche eine Institution, die sich auf Jesus Christus bezieht, denjenigen, der für radikale Liebe steht“, sagte Bedford-Strohm. „Wenn im Rahmen dieser Institution Handlungen passieren, die das Leben von Menschen zerstören, dann wird mit Füßen getreten, wofür wir stehen.“
Die Vorsitzende des Kirchenparlaments, die ehemalige Bundesministerin Irmgard Schwaetzer, kündigte zwei von der EKD in Auftrag zu gebende Studien an, die das Dunkelfeld und Risiken des sexuellen Missbrauchs untersuchen. Zudem soll es eine Anlaufstelle für Missbrauchsopfer und einen Beauftragtenrat von fünf Leitungspersönlichkeiten in der evangelischen Kirche geben. Heute will sich die Synode wieder mit dem Thema sexueller Missbrauch beschäftigen: Dann soll die Sprecherin des Beauftragtenrates, die für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in Ahrensburg bekannt gewordene Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, dem Kirchenparlament Bericht erstatten.