Personenkult ist allzu menschlich
Schulz, Habeck, Merz gelten als Heilsbringer. Kann man bedauern, aber nicht ändern.
Die „Bild am Sonntag“-Autorin Margot Käßmann war Bischöfin und meinungsstärkste deutsche Stimme der Evangelischen Kirche. Wenn Angela Merkel nach dem schnippischen Urteil Peter Sloterdijks als „Große Mutter der Entpolitisierung“gilt, könnte man Käßmann als Großmutter der Politisierung des Religiösen verstehen. Oft fiel und fällt mir zu Käßmann Heiner Geißlers giftige Mahnung an Kirchenfunktionäre ein, diese sollten sich mehr um die letzten und weniger um die vorletzten Dinge kümmern.
Margot Käßmanns mittlerweile verblassender Erfolg als Menschenfischerin bestand nicht zuletzt darin, dass sie es verstand, die vorletzten mit den letzten Dingen geschickt zu verknüpfen. Ihre Jüngerinnen und Jünger dürsteten nach den politisierenden, moralisch aufgeladenen Bergpredigten ihrer Meisterin; für diejenigen, die vom Käßmann-Glauben abgefallen oder ihm nie erlegen waren, verkörperte sie das Bild einer voreingenommenen Aktivistin mit Bibelexamina. Ausgerechnet Käßmann schrieb nun einen Beitrag gegen den Personenkult und gegen Heilsbringer. Sie erwähnte beispielhaft Namen wie Martin Schulz, den abgestürzten Mister-Hundert-Prozent der SPD, oder die einstmals scheinbar unantastbare Angela Merkel. Käßmann nennt ferner Robert Habeck, den grünen Darling von Presse, Funk, TV und Demoskopie, oder Friedrich Merz, den Napoléon der Post-Merkel-CDU, bei dem beides möglich ist: Krönung oder Waterloo. Alle Namen, einschließlich Käßmann selbst, belegen, dass Personenkult nicht aus dem Leben der Menschen verschwindet, weil sich das jemand so wünscht. Gegen eine menschliche Konstante anzuschreiben, wirkt unklug und kraftlos. Sehen wir es doch so: Gegen Personenkult in Politik, Kultur, oder Kirchen sind nur diejenigen, denen er nicht oder nicht mehr gilt.