Rheinische Post Opladen

Das Mittelalte­r unter der Lupe

Eine aktuelle Sonderauss­tellung im Museum Schnütgen wirft einen neuen Blick auf alte, sakrale Kunstwerke. Insgesamt gibt es in der Ausstellun­g zwölf Untersuchu­ngsstation­en, die einem Kunstwerk zugeordnet sind.

- VON STEPHAN EPPINGER

KÖLN Auf den ersten Blick wirkt die Paternoste­rschnur wie eine Kette, an der kleine kunstvoll geschnitzt­e Totenköpfe hängen. In diesen finden sich weitere kleine Kunstwerke, die erst mit der starken Lupe für das menschlich­e Auge erfassbar sind. Während im Vordergrun­d die winzigen Holzfigure­n begeistern, fällt direkt der blau schimmernd­e Hintergrun­d auf. Er besteht aus blauen Kolibrifed­ern und zeigt die hohe Kunst, der wahrschein­lich aus Mexiko stammenden Kunsthandw­erker. So trifft indigene Kunst auf christlich­e Motive, was im 16. Jahrhunder­t bei den Gläubigen wohl sehr begehrt war. Aber erst durch die Lupe wird dies auch wirklich erkennbar. Ein dazu platzierte­s Kolibri-Präparat aus dem Bonner Museum König macht die Kunst mit den winzigen Federn noch eindrucksv­oller.

In der neuen Sonderauss­tellung im Museum Schnütgen ist die Paternoste­rkette nicht das einzige sakrale Kunstwerk, das unter die Lupe oder vielmehr nach dem Stand der heutigen Technik unter das Elektronen­mikroskop oder das Röntgenger­ät genommen wurde. So kann so manches Geheimnis der Exponate im Bestand des Museums gelüftet und mit Untersuchu­ngsstation­en dem Besucher auch veranschau­licht werden.

Dort finden sich Animatione­n genauso wie Bilder, die Details deutlich vergrößern. Auch Werkzeuge, Farben und andere Materialen, die bei den Kunstwerke­n verwendet wurden, sind zu sehen. Dies ist ein zentraler Punkt, denn die Wahl des Materials war im Mittelalte­r niemals zufällig, sondern immer mit der Aussage und Wirkung der Kunstwerke verbunden. Das macht die Spurensuch­e für die Forscher und Restaurato­ren so aufschluss­reich. Insgesamt gibt es in der Ausbeiden stellung zwölf solcher Untersuchu­ngsstation­en, die dem jeweiligen Kunstwerk zugeordnet sind.

Zu den spannendst­en Kunstwerke­n zählen zwei Cherubim, Engelfigur­en aus Holz, die aus der Frühgotik stammen. Sie waren der Anlass, diese Sonderscha­u zu konzipiere­n. Konservato­rische Maßnahmen waren bei diesen notwendig geworden, um ihre farbige Bemalung zu erhalten.

Dabei machten die Restaurato­ren eine unerwartet­e Entdeckung. Bei den Arbeiten stellte sich heraus, dass die auf geflügelte­n Rädern stehenden Engel ursprüngli­ch golden bemalt waren. So erscheinen die Figuren wie Goldschmie­dearbeiten, wie es eine aufwendige 3D-Animation veranschau­licht, bei der die Engel gezoomt und gedreht werden können. Diese goldene Fassung kann daraufhin hindeuten, wo die Engel ursprüngli­ch gestanden haben – was bislang noch nicht geklärt ist.

Ein weiteres zentrales Exponat der Schau ist der Kruzifixto­rso aus St. Georg, der zu den ältesten Holzskulpt­uren des Mittelalte­rs zählt. Bei der dreijährig­en Untersuchu­ngsund Restaurier­ungskampag­ne stellte sich heraus, dass die Skulptur des gekreuzigt­en Christus anfänglich mit einer farbigen Fassung versehen war und die Bemalung im Laufe der Jahrhunder­te entspreche­nd dem jeweiligen Zeitgeschm­ack mehrfach verändert wurde. Auch dies kann an der Untersuchu­ngsstation anschaulic­h nachvollzo­gen werden. Das gilt ebenfalls für die zwölf Rathauspro­pheten, deren verschiede­nes Äußeres modellhaft in Bildern gezeigt wird.

Bei dem Bergkrista­llkreuz verraten verschiede­ne Büttenpapi­ere an der Montage, dass das Objekt im 17. und 18. Jahrhunder­t mehrfach zerlegt und neu zusammenge­fügt worden ist. Das wird auch dem Laien durch die Detailauss­chnitte deutlich.

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FOTO: STEPHAN EPPINGER An einer Untersuchu­ngsstation wird das unterschie­dliche Äußere der zwölf Rathauspro­pheten modellhaft in Bildern gezeigt.

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