Das Mittelalter unter der Lupe
Eine aktuelle Sonderausstellung im Museum Schnütgen wirft einen neuen Blick auf alte, sakrale Kunstwerke. Insgesamt gibt es in der Ausstellung zwölf Untersuchungsstationen, die einem Kunstwerk zugeordnet sind.
KÖLN Auf den ersten Blick wirkt die Paternosterschnur wie eine Kette, an der kleine kunstvoll geschnitzte Totenköpfe hängen. In diesen finden sich weitere kleine Kunstwerke, die erst mit der starken Lupe für das menschliche Auge erfassbar sind. Während im Vordergrund die winzigen Holzfiguren begeistern, fällt direkt der blau schimmernde Hintergrund auf. Er besteht aus blauen Kolibrifedern und zeigt die hohe Kunst, der wahrscheinlich aus Mexiko stammenden Kunsthandwerker. So trifft indigene Kunst auf christliche Motive, was im 16. Jahrhundert bei den Gläubigen wohl sehr begehrt war. Aber erst durch die Lupe wird dies auch wirklich erkennbar. Ein dazu platziertes Kolibri-Präparat aus dem Bonner Museum König macht die Kunst mit den winzigen Federn noch eindrucksvoller.
In der neuen Sonderausstellung im Museum Schnütgen ist die Paternosterkette nicht das einzige sakrale Kunstwerk, das unter die Lupe oder vielmehr nach dem Stand der heutigen Technik unter das Elektronenmikroskop oder das Röntgengerät genommen wurde. So kann so manches Geheimnis der Exponate im Bestand des Museums gelüftet und mit Untersuchungsstationen dem Besucher auch veranschaulicht werden.
Dort finden sich Animationen genauso wie Bilder, die Details deutlich vergrößern. Auch Werkzeuge, Farben und andere Materialen, die bei den Kunstwerken verwendet wurden, sind zu sehen. Dies ist ein zentraler Punkt, denn die Wahl des Materials war im Mittelalter niemals zufällig, sondern immer mit der Aussage und Wirkung der Kunstwerke verbunden. Das macht die Spurensuche für die Forscher und Restauratoren so aufschlussreich. Insgesamt gibt es in der Ausbeiden stellung zwölf solcher Untersuchungsstationen, die dem jeweiligen Kunstwerk zugeordnet sind.
Zu den spannendsten Kunstwerken zählen zwei Cherubim, Engelfiguren aus Holz, die aus der Frühgotik stammen. Sie waren der Anlass, diese Sonderschau zu konzipieren. Konservatorische Maßnahmen waren bei diesen notwendig geworden, um ihre farbige Bemalung zu erhalten.
Dabei machten die Restauratoren eine unerwartete Entdeckung. Bei den Arbeiten stellte sich heraus, dass die auf geflügelten Rädern stehenden Engel ursprünglich golden bemalt waren. So erscheinen die Figuren wie Goldschmiedearbeiten, wie es eine aufwendige 3D-Animation veranschaulicht, bei der die Engel gezoomt und gedreht werden können. Diese goldene Fassung kann daraufhin hindeuten, wo die Engel ursprünglich gestanden haben – was bislang noch nicht geklärt ist.
Ein weiteres zentrales Exponat der Schau ist der Kruzifixtorso aus St. Georg, der zu den ältesten Holzskulpturen des Mittelalters zählt. Bei der dreijährigen Untersuchungsund Restaurierungskampagne stellte sich heraus, dass die Skulptur des gekreuzigten Christus anfänglich mit einer farbigen Fassung versehen war und die Bemalung im Laufe der Jahrhunderte entsprechend dem jeweiligen Zeitgeschmack mehrfach verändert wurde. Auch dies kann an der Untersuchungsstation anschaulich nachvollzogen werden. Das gilt ebenfalls für die zwölf Rathauspropheten, deren verschiedenes Äußeres modellhaft in Bildern gezeigt wird.
Bei dem Bergkristallkreuz verraten verschiedene Büttenpapiere an der Montage, dass das Objekt im 17. und 18. Jahrhundert mehrfach zerlegt und neu zusammengefügt worden ist. Das wird auch dem Laien durch die Detailausschnitte deutlich.