„Bei Bayer müssen auch Häuptlinge gehen“
Der Betriebsrats-Chef fordert für die Belegschaft höhere Abfindungen und eine Absicherung der Rente mit 57.
LEVERKUSEN Oliver Zühlke hat harte Wochen hinter sich. Er hat mit dem Bayer-Vorstand den Abbau von 12.000 Stellen verhandelt.
Wie ist die Stimmung im Konzern? ZÜHLKE Das sind dramatische Zahlen und viele Mitarbeiter sind in Sorge - um ihren Arbeitsplatz und ihre Zukunft. Das wurde am Montag deutlich. Knapp 10.000 Mitarbeiter haben vor Ort oder im Netz die Info-Veranstaltung des Betriebsrates und der Rede von Vorstandschef Werner Baumann verfolgt und ihm viele Fragen gestellt. Doch keiner braucht Existenzangst zu haben. Wir haben Bayer weitreichende Zusagen abgerungen: Bis Ende 2025 sind betriebsbedingte Kündigungen im Personalverbund in Deutschland ausgeschlossen.
Ein signifikanter Teil des Abbaus entfällt auf Deutschland. Wie viele? ZÜHLKE Darüber beraten wir noch und wollen beschäftigungserhaltende Maßnahmen etablieren. Im Pharmabereich, wo man seit langem verhandelt, wird das schnell feststehen. In den anderen Bereichen wohl bis März 2019.
Wie will Bayer Tausende Stellen abbauen, ohne zu kündigen?
ZÜHLKE Das ist eine Herausforderung, darum ist es Bayer schwer gefallen, den Kündigungsschutz für eine so lange Zeit zuzusagen. Aber es gibt viele Instrumente wie Abfindungen, Vorruhestand oder den Aufbau einer internen Jobvermittlung, mit denen das gelingen kann. Wir fordern von Bayer nun attraktive Angebote.
Was erwarten Sie beim Vorruhestand?
ZÜHLKE Es wird zum Beispiel ein Programm 57+ geben, wonach Bayer-Beschäftigte mit 57 Jahren in den Ruhestand gehen können. Das ist äußerst attraktiv für langjährig Beschäftigte, die mit 63 abschlagfrei in Rente gehen können. Für die anderen ist das aber nur attraktiv, wenn Bayer Verluste in der betrieblichen und gesetzlichen Rentenentwicklung ausgleicht. Das wird Bayer einiges kosten. Denn nur wenn Sicherheit im Alter gewährleistet ist, werden genug Mitarbeiter das Angebot annehmen.
Von Jüngeren wird Bayer sich nur per Abfindung trennen können. ZÜHLKE Wir wollen, dass die Abfindungen attraktiver werden. Seit 2009 hat es ein solches Programm nicht mehr gegeben. Die Abfindungen sollen einen Sockelbetrag und einen Betrag in Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeit enthalten. Zusätzlich soll die maximale Höhe der Abfindungen verbessert werden. Wir kämpfen dafür, dass der Deckel nach oben angehoben wird. Bis Jahresende soll es hierzu eine Vereinbarung geben.
Müssen die Beschäftigten nun die Zeche für Monsanto bezahlen? ZÜHLKE Ich verstehe, dass viele das Thema emotional diskutieren, aber dem ist nicht so. Die Fakten sagen anderes: Im Bereich Crop Science sollen 4100 Stellen wegfallen, um auf die angekündigten Synergien zu kommen. Der Stellenabbau in anderen Bereichen hat damit nichts zu tun und die Glyphosat-Klagen im Übrigen auch nicht. Bayer geht davon aus, vor Gericht zu siegen – also braucht man auch nicht für Schadenersatz vorsorgen.
Was war der schwerste Brocken in den Verhandlungen?
ZÜHLKE Die lange Dauer der Beschäftigungssicherung und der Verkauf von Animal Health, der Tierarznei. Auch nach einem Verkauf gilt für sie der Kündigungsschutz bis 2025. Das muss Bayer einem Investor erst einmal verkaufen.
Bayer verkauft auch den Chemiepark-Betreiber Currenta. Im Gespräch sind Investoren wie Macquarie. Ist das ok für Sie?
ZÜHLKE Der Betriebsrat wird sich jeden potentiellen Käufer intensiv ansehen
und die Sicherung der Mitarbeiter fordern. Uns wäre es am liebsten, wenn Covestro einsteigt und den Bayer-Anteil von 60 Prozent an Currenta übernimmt. Man hat darüber gesprochen, aber Covestro will nicht. Das ist sehr bedauerlich. Es geht immerhin um einige deutsche Standorte mit über 5000 Beschäftigten.
In der Verwaltung sollen 5500 bis 6000 Stellen wegfallen. In Leverkusen muss doch die Angst umgehen. ZÜHLKE Der Konzern hat mitgeteilt, dass die Verwaltungskosten bei Bayer im Vergleich zu anderen Firmen viel zu hoch sind. Daher sollen so viele Stellen wegfallen. Das wird auch große Auswirkungen auf Deutschland und auch in Leverkusen haben. Wir werden sicher auch hier vieles über den Vorruhestand lösen können, aber auch die weiteren Instrumente, die wir gerade vereinbaren. Für den Betriebsrat ist wichtig, dass nicht nur Indianer gehen müssen, sondern auch Häuptlinge und das zum Beispiel statt Personalabbau auch Sachkosten reduziert werden.
Überfordert Bayer die Mitarbeiter? ZÜHLKE Seit 2003 ist Bayer im ständigen Umbau. Doch viele Mitarbeiter sind flexibel. Und es gibt auch gute Nachrichten: Bayer hat für alle deutschen Standorte Garantien abgegeben. Bis 2022 investiert der Konzern zwei Milliarden in Sachanlagen. Das neue Hauptquartier für Digital Climate Corp Europa kommt nach Monheim oder Köln, für den Bereich Digital Health nach Berlin. Das sind Arbeitsplätze für unsere Kinder.
Wie wird Baumann gesehen? ZÜHLKE Er hat klar gemacht, dass der Vorstand die Entscheidungen nicht leichtfertig getroffen hat. Baumann und Aufsichtsratschef Wenning stehen dafür, dass der Abbau Bayer-like erfolgt. Wir werden sie beim Wort nehmen.