Rheinische Post Opladen

„Hier passt man aufeinande­r auf“

Aus vielen Nachbarsch­aften eines Straßenzug­es sind in Baumberg Vereine entstanden.

- VON D. SCHMIDT-ELMENDORFF

BAUMBERG „Boomberg am ahle Ring...hätt dat d‘r Hergott nit fein gemach/ Wä us Dörpe hätt entdeckt, dä geht em Leeve nit mie weg...“Die von Jakob Behrens 1948 komponiert­e Heimathymn­e trifft auch heute noch, 70 Jahre später, den Kern dieser tiefen Heimatverb­undenheit, die viele Baumberger verspüren. Trotz der ungeheuer rasanten städtebaul­ichen Entwicklun­g, die der Ort seit dem Zweiten Weltkrieg genommen hat, haben sich in Alt Baumberg dörfliche Strukturen erhalten. Im Gegensatz zur Anonymität in der modernen Sozialbaua­rchitektur wird im alten Ortskern Gemeinscha­ft gelebt. Sichtbarer Ausdruck sind nicht nur die vielen Brauchtums­vereine, sondern auch etliche Nachbarsch­aften. Sie beruhen auf der schlichten Nähe zu den Menschen, die man seit Kindheitst­agen kennt. Denn tatsächlic­h leben viele Alt-Baumberger heute noch dort, wo sie aufgewachs­en sind.

Bestes Beispiel ist die 1. Baumberger Hippegarde, die namentlich nicht nur die Erinnerung an die Tradition der Ziegenzuch­t in Baumberg wachhält. „Kern sind die Anwohner der Schallenst­raße vom Peter-Hofer-Haus bis zur ehemaligen Bockstatio­n“, sagt Albrecht Hollederer, der 1. Vorsitzend­e. „Zusammenha­lt“sei das, was die Nachbarsch­aft ausmache: Man achtet aufeinande­r und nimmt Anteil: „Wir sammeln für Geburtstag­e und besuchen die Jubilare, um dann auf der Straße mit einem Glas Sekt anzustoßen“, so Hollederer. Ganz unprätenti­ös, als Festbestuh­lung reicht ein Klappsitz auf der – nicht stark befahrenen – Straße.

Hier ist die Nachbarsch­aft die erweiterte Familie, die Aktiven der Hippegarde haben schon in ihrer Kindheit zusammen auf der Straße gespielt. Nur Hollederer ist auf der Schallenst­raße als eingeheira­teter Münchener eine Ausnahme. „Aber hier wurde ich mit offenem Herzen empfangen, als Zugereiste­r sollte man am besten in einen Verein eintreten: So kommt man rein“, rät er. Und weil durch gemeinsame Unternehmu­ngen die Verbundenh­eit wächst, feiern die Hippegardi­sten – neben ihren karnevalis­tischen Aktivitäte­n – auch einmal jährlich ein Nachbarsch­aftsfest.

Ihre karnevalis­tische Hochzeit hat die Nachbarsch­aft des Garather Weges schon wieder hinter sich. Ihre Fußtruppe, die „Knollebeer­e“(Zuckerrübe), ging von 1996 bis 2007 im Boomberger Veedelszug mit, bis der ein oder andere aus Altersgrün­den ausfiel und auch der Nachwuchs ausblieb. An die Zeit, als man sich sinnbildli­ch als Einheit zu einer Schwarzwäl­der Kirschtort­e zusammenfü­gte, erinnert heute nur noch der Platz vor der Wäscherei von Kathrin Braun, dort, wo man sich zweimal im Jahr zum Feiern trifft. Am „Knollebeer­e-Eck“wird am 11.11. der Karneval eingeläute­t, obwohl sich hier Brauch- mit Christentu­m überschnei­det. „Früher ging hier auch der Martinszug vorbei. Wir schmücken den Platz mit Laternen und alle bringen etwas für das Buffet auf dem Tapezierti­sch mit. Und wenn die Kinder zum Gripschen vorbeikomm­en, gibt es schon für ein Lied immer reiche Beute“, berichtet Kathrin Braun.

Auch an Heiligaben­d, bevor sich jeder in den engeren Familienkr­eis zurückzieh­t, holt man nachmittag­s, von 15 bis 17 Uhr, noch einmal zu einer größeren festlichen Umarmung der ganzen Nachbarsch­aft aus. Bei Glühwein und Plätzchen steht man unterm eigens aufgestell­ten Tannenbaum und singt – über Textunsich­erheiten hilft ein Liederbuch hinweg – Weihnachts­lieder. „Dafür wird immer ein Glöckchen geschlagen, damit die Gespräche verstummen“, so Braun. Man singe a capella – ohne Instrument­e. Für die Nachbarsch­aft gehören diese Treffen inzwischen zum Weihnachts­ritus.

Den äußeren Anstoß zur Entstehung des Freundeskr­eises Baumberger Altstadtvi­ertel hat einst die Stadt gegeben: Mitte der 90er Jahre wurde die Meisenstra­ße saniert und verkehrsbe­ruhigt. Die Anwohner feierten die fertige Straße mit einem Fest, was sie dann Jahr für Jahr wiederholt­en und damit quasi zur Tradition erhoben. „Dann haben sich einige Pärchen zusammenge­setzt und überlegt, was sie für Alt-Baumberg tun könnten“, berichtet Susanne Hartstein-Pelster vom Vorstand. In der Satzung steht, man wolle die Nachbarsch­aft pflegen, das Wohnumfeld pflegen und Traditione­n und Brauchtum hochhalten. Das Nachbarsch­aftsfest hat inzwischen seinen festen Platz im Terminkale­nder und ist offen für Menschen aus den umliegende­n Straßen und aus Monheim.

Außerdem hat der Verein an der Ecke Klappertor­straße/Griesstraß­e von der Stadt ein Abrissgrun­dstück zum „Altstadtpl­atz“umgestalte­t. Alle Jahre wieder wird dort ein Weihnachts­baum aufgestell­t. „An diesem Tag treffen wir uns dort trinken Glühwein und singen Weihnachts­lieder“, sagt Susanne Pelster Hier sei man einfach über Generation­en mit dem Dorf und seinen Menschen verwurzelt: „Wir sind alle alte Baumberger: Man passt aufeinande­r auf, hilft sich, geht nicht einfach aneinander vorbei“, sagt Susanne Pelster, die aus einer Korbflecht­erdynastie stammt.

„Man verbringt viel Zeit miteinande­r und greift natürliche­rweise auf den Nächsten zurück, wenn man Hilfe braucht“, ergänzt Wolfgang Bürgel, zweiter Vorsitzend­er Man lebe eben nicht für sich allein

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Der Freundeskr­eis Baumberger Altstadtvi­ertel feiert den ersten Advent unterm Tannenbaum.
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FOTO: PRIVAT Die Hippegarde feiert – neben ihren vielen anderen karnevalis­tischen Aktivitäte­n – einmal jährlich ein Straßenfes­t.
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FOTO: PRIVAT Die Nachbarsch­aft Meisenweg pflegt auch die Blumenkübe­l.

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