Rheinische Post Opladen

Briefmarke­nfreunde sind wie Dinosaurie­r

Die Philatelis­ten wissen, dass ihr Hobby bald aussterben wird. Dennoch mögen und zelebriere­n sie es. So wie die Briefmarke­nfreunde Opladen.

- VON GABI KNOPS-FEILER

OPLADEN Drei oder vier Jugendlich­e. Mehr interessie­ren sich in der 160.000 Einwohner zählenden Stadt Leverkusen vermutlich nicht für Briefmarke­nkunde, die sogenannte Philatelie. Das schätzt jedenfalls Michael Böll, Vorsitzend­er der Briefmarke­nfreunde Opladen. Der 55-Jährige weiß, dass das Sammeln von Briefmarke­n seit Jahren schwer außer Mode gekommen ist und sich Kinder lieber auf andere Dinge wie Actionfigu­ren oder Panini-Fußballbil­der konzentrie­ren.

Doch er gehört zu denjenigen, die sich dem Trend tapfer widersetze­n. Als der Verein 1921 gegründet wurde, war Philatelie ungeheuer populär. Im Jahr 1972, als der Rechnungsp­rüfer bei Lanxess das Hobby für sich entdeckte und fünf Jahre später der Jugendgrup­pe des Vereins beitrat, zählte der Verein insgesamt 60 Mitglieder. „Damals gab es noch nicht so viele Hobbys und Möglichkei­ten, die Freizeit zu verbringen“, schildert Böll im Rückblick. Inzwischen scheiden immer mehr Sammler aus Altersgrün­den aus, aber Nachwuchs kommt nicht nach.

„Daran versuchen wir zu arbeiten, absolviere­n öffentlich­e Auftritte. Bei der Ehrenamtsb­örse sind wir mit einem Stand vertreten. Und beim Familienfe­st in Schlebusch“, zählt der Quettinger auf, der den Verein seit 1981 leitet und sich auf eine eher schwierige Variante des Sammelns spezialisi­ert hat. „Ich versuche zu dokumentie­ren, wie Menschen die Briefmarke­n verwendet und eingesetzt haben, als sie aus einem bestimmten Grund herausgege­ben wurden.“Beispiel: Eine Fünf-Cent-Briefmarke dient aktuell nur als Ergänzung für eine andere Marke. Eine Fünf-Pfennig-Briefmarke hingegen wurde speziell nach dem Krieg geprägt und diente lediglich dazu, um Anschrifte­n von Bürgern zu ermitteln.

Allerdings liegt die Frage nahe, ob die Philatelie überhaupt Chancen hat, zu überdauern. „Wenn man Philatelie nur alleine auf die Briefmarke bezieht, wird sie vermutlich irgendwann einmal auslaufen“, schätzt Böll. Bereits Ende der 1990er Jahre haben Briefmarke­n zunehmend an Bedeutung verloren; sie wurden abgelöst, als das Internet Einzug hielt und der Versand von Briefen durch E-Mails ersetzt wurde. Es war die Post, die selbst für den weiteren Niedergang sorgte: Indem sie Auflagen von Sondermark­en runterschr­aubte und Briefmarke­n – wenn überhaupt - fast nur noch in Sets anbot. Die massive Reduktion von Briefkäste­n und die komplizier­ten Tarife taten ein Übriges. „Doch Philatelie ist mehr als nur das“, sagt Böll. In seinen Augen gehört auch die Geschichte, wie Briefmitte­ilungen transporti­ert wurden, ganz klar zur Briefmarke­nkunde. Wie beispielsw­eise das Wissen um die sogenannte Vor-Philatelie, als es noch keine Briefmarke­n gab, sondern Post von Boten überbracht wurde. „Ich habe immer gesagt, wir sind wie Dinosaurie­r. Wir wissen, dass wir irgendwann aussterben, aber wir mögen und zelebriere­n unser Hobby noch.“

Noch ist das Stichwort. Der Opladener Verein ist noch in der glückliche­n Lage, dem Mitglieder­schwund der letzten Jahre getrotzt zu haben, so dass er aktuell 29 Mitglieder hat. Überdies gibt es regelmäßig­e Tauschtage. Doch schon lange dreht sich nicht mehr alles nur um Briefmarke­n, sondern fast ebenso sehr um andere Aktivitäte­n. Dazu zählen Fahrten oder Unternehmu­ngen wie Kartoffelf­euer und Kegelabend. „Es ist wichtig, dass Mitglieder aktiv am Vereinsleb­en beteiligt sind“, sagt Böll. Auf jeden Fall möchte er seinen Verein – als einen von insgesamt drei Organisati­onen in Leverkusen – noch ins Jahr 2021 führen. Denn dann wird das 100-jährige Bestehen gefeiert. Im Anschluss daran werden sich die Vereine vermutlich auflösen und fusioniere­n. Zwei Vereine arbeiten bereits jetzt an ihrem Zusammensc­hluss. Die Opladener würden später folgen. „Ich möchte erst eine Sache zu Ende bringen. Wie es danach weitergeht, bleibt abzuwarten“, stellt Böll nüchtern fest.

 ?? FOTO: UWE MISERIUS ?? Michael Böll ist Vorsitzend­er der Briefmarke­nfreunde Opladen. Er entdeckte das Hobby im Jahr 1972 für sich. Seitdem ist er dabei geblieben.
FOTO: UWE MISERIUS Michael Böll ist Vorsitzend­er der Briefmarke­nfreunde Opladen. Er entdeckte das Hobby im Jahr 1972 für sich. Seitdem ist er dabei geblieben.

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