Rheinische Post Opladen

Kaplan Matthias Peus: „Die Chemie stimmt“

Der Geistliche (52) ist neu in der Pfarrgemei­nde Opladen. Wir haben ihn zu seiner Aufgabe, seinen Ansichten und Ideen befragt.

- DIE FRAGEN STELLTE GABI KNOPS-FEILER

Zunächst einmal die Frage: Wie gefällt es Ihnen in der Gemeinde Opladen?

PEUS Ich fühle mich wirklich sehr wohl hier.

Sie bezeichnen sich als Spätberufe­ner?

PEUS Das stimmt. Die Frage kam erst spät in meinem Leben auf. Ich war ungefähr 35 Jahre, als Berufungss­ignale konkrete Formen annahmen.

Gab es einen speziellen Auslöser für den Berufswech­sel? Wie zum Beispiel Liebeskumm­er?

PEUS Ich war tatsächlic­h einige Male verliebt. Aber enttäuscht­e Liebe war nicht der Anlass für meine Wahl. Vielmehr sprachen mich Freunde darauf an, die fanden, dass ich als Priester gut geeignet sei. Konkret sagten sie: „Es sähe doch so passend aus, wenn du Priester wirst.“Sie sehen das Ergebnis.

Im Pfarrbrief steht, Sie haben auch Tanzen gelernt?

PEUS Als Jugendlich­er habe ich tatsächlic­h getanzt. Ich besuchte mit meiner halben Klasse den Kurs in der Tanzschule. Meine Tanzpartne­rin und ich haben es im Fortgeschr­ittenenkur­s sogar auf den ersten Platz geschafft und uns damit die Teilnahme am Bronzekurs verdient. Jetzt, als Priester, bin ich aber zurückhalt­end, damit bei Zuschauern erst gar kein falscher Eindruck entsteht.

Apropos Tanzpartne­rin. Wie ist Ihre Meinung zum Zölibat?

PEUS Die eine entscheide­nde Frage ist, warum Christus nicht geheiratet hat. Historiker bewerten eine Ehe oder ein Verhältnis Jesu als Mythen, wie ich während des Theologies­tudiums von den Kirchen-Geschichts­professore­n lernte. Es gibt zwar Romane, die solche Geschichte­n schön inszeniere­n, aber ich glaube ihnen nicht.

Also behaupten Sie, dass Christus nicht verheirate­t war?

PEUS Das legen die Evangelien nahe. Wäre er verheirate­t gewesen, dann könnten wir denken, dass er eine Person mehr liebt als alle anderen. Aber Christus wollte allen Menschen zeigen, dass er sie liebt. Und weil er das als Gott und als Mensch sagte, strahlte er diesen Willen aus, und er ist einfach ein Mann.

Denken Sie, dass es in der heutigen Zeit dennoch angemessen wäre, über das Zölibat nachzudenk­en? PEUS Die Kernfrage ist, darf es Zölibat überhaupt auf der Erde geben? Darf eine Religionsg­emeinschaf­t so etwas einfordern? Tatsache ist, dass es die römisch-katholisch­e Kirche nicht einfordert. Vielmehr fragt die Kirche mich als denjenigen, der Priester werden will, ob ich bereit bin, nach diesen Regeln zu leben. Wäre ich es nicht, bräuchte ich mich gar nicht erst für das Amt bewerben. Wer sich zum Priester weihen lässt, ist bereit, die Ehelosigke­it zu leben.

Es sei denn, Sie würden konvertier­en und zu einer anderen Kirche übertreten?

PEUS Das ist richtig, davon höre ich immer wieder. Aber ich könnte das nicht, weil ich katholisch bin und den katholisch­en Glauben für mich als richtig empfinde. Ich bin kein Kind von Traurigkei­t und Ehepartner sind auch nicht automatisc­h glücklich.

Wie stehen Sie zur Ökumene?

PEUS Davon halte ich viel. Ich habe Freunde in der Freikirche, habe oft mit ihnen gebetet und die Bibel gelesen. Dadurch habe ich den grundlegen­den christlich­en Glauben intensiv aufgesogen.

Können Sie Stellung nehmen zum Missbrauch­sskandal in der katholisch­en Kirche?

PEUS Das ist ein solch schwierige­s Thema, dass im Grunde erst mal die verschiede­nen gesellscha­ftlichen Fragen ausgearbei­tet werden müssen. Fakt ist: Jede Religion, die ernst genommen werden will, hat einen Wahrheitsa­nspruch. Jeder, der einen Wahrheitsa­nspruch erhebt, muss sich mit besonderer Sorgfalt der Frage des Menschen annehmen. Darum ist die Last, die auf unserer Kirche liegt, eine mehrfache gegenüber anderen Institutio­nen, wie zum Beispiel in Freizeit und Sport. Natürlich ist es keine Frage, dass solche Dinge tatsächlic­h passiert sind. Wer solches Leid verursacht, begeht ein Verbrechen und verletzt Schutzbefo­hlene.

Macht es sich die Kirche in dieser Angelegenh­eit vielleicht zu leicht? PEUS Ich denke nicht, dass wir es uns leicht machen. Medien bestätigte­n: „In allen deutschen Bistümern gelten Prävention­sordnungen.“Deshalb erhalten wir von unseren Mitarbeite­rn ein Führungsze­ugnis. Solange wir auf dieser Erde leben, gilt dennoch für jeden Gläubigen und für jeden Christen: Er ist heilig und er ist sündig. Das soll das Geschehene natürlich auf keinen Fall verharmlos­en.

Sind Sie der Meinung, die Kirche muss zur Rechenscha­ft gezogen werden?

PEUS Natürlich, genauso wie alle anderen Organisati­onen.

Wie lange bleiben Sie voraussich­tlich an Ihrer neuen Dienststel­le? PEUS Ich möchte einfach gern hier bleiben. Wie sagt man? Ich finde, die Chemie stimmt. Mir gefällt es in Opladen. Und niemand sagt etwas von „wie lange“. Eines Tages werde ich wohl nicht mehr Kaplan sein, sondern zum Pfarrvikar umbenannt.

Wie sehen Sie Kirche in 100 Jahren? PEUS Zur Epoche der Aufklärung zwischen 1720 und 1785 war die Kirche relativ klein. Kirche hat natürlich auch Zeiten erlebt, in der sie groß und bedeutend war. Mir ist aufgefalle­n, dass das Turiner Grabtuch (Die Reliquie wird von Gläubigen als echtes Leichentuc­h von Christus verehrt, Anm. d. Red.) in den letzten Jahrzehnte­n häufiger ausgestell­t wird als früher, denn entspreche­nd mehr Menschen wollen es sehen.

Was schließen Sie daraus?

PEUS Dass ich nicht sicher bin, ob

die Gläubigen immer weniger werden. Besonders, weil überall in Deutschlan­d ganz neue, mutige geistliche Bewegungen entstanden sind, die den Glauben wirklich leben. Zum Beispiel zieht das katholisch­e, ökumenisch ausgericht­ete Gebetshaus Augsburg seit Jahren zigtausend­e Menschen an. Deshalb denke ich, dass die Volkskirch­e in dem Sinn auf dem absteigend­en Ast ist und ihr Gesicht sehr verändern wird.

Was halten Sie von der Reformbewe­gung Maria 2.0?

PEUS Bevor ich mich dazu äußern kann, muss ich erst mit den Beteiligte­n reden. Ich habe bislang nicht so viele substanzie­lle Argumente von dieser Bewegung gehört, sondern nur Positionen. Wie begründen sie diese? Wenn sie nur von modernen Zeiten sprechen, haben sie für mich nicht mehr gesagt, als dass sie die Aufklärung mehr mögen als den Glauben.

Welche Zaubertric­ks beherrsche­n Sie noch?

PEUS Dieses Hobby habe ich mir während meiner Schulzeit durch Bücher angeeignet und quasi zur Unterhaltu­ng für etwa drei Jahre praktizier­t. Ich konnte zum Beispiel Tücher verschwind­en lassen und schaffe es vielleicht heute immer noch.

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FOTO: UWE MISERIUS Kaplan Mattias Peus ist seit einigen Wochen in der Pfarrgemei­nde Opladen und fühlt sich dort bereits sehr wohl.

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