Über Gott gerecht sprechen
Sensibilität für Genderfragen heißt, Verschiedenes nebeneinander zu tolerieren.
Als Gott den Mann schuf, übte sie nur“, stand auf der Postkarte, die ich mitten auf meine Mappe mit den Schulheften geklebt hatte. Da war ich 14 und fand den Spruch einfach lustig. Daneben hatte ich allerlei andere Sprüche und Zitate geschrieben, die ich witzig fand. Dass für mich Wahrheit in ihnen steckt, hätte ich damals niemals zugegeben, selbst wenn ich es gewusst hätte. Damals, Ende der 90er-Jahre, hatte ich schon wahrgenommen, dass hier und da über Sprache geredet wird. Hauptsächlich von Frauen. Oder von Männern, wenn sie sich darüber lustig machten. Ich erinnere mich an eine Karikatur, die eine Familie beim Frühstück zeigt: „Schatz, reichst du mir bitte die Salzstreuerin?“Natürlich fand ich das lustig. Für mich waren Lehrer,
Bürger, Ärzte und so weiter Männer und Frauen. Später habe ich mich ernsthaft gewundert über die Sprachregelung der Uni Leipzig, die weibliche Form der Berufsbezeichnung anzuwenden, also Lehrpersonen mit „Herr Professorin“anzusprechen.
Und viele Frauen älterer Jahrgänge haben sich ernsthaft gewundert, dass ich mich als Studentin nicht mit feministischer Theologie beschäftige.
Erst als ich Pfarrerin wurde, ist mir geschlechtergerechte Sprache wichtiger geworden. Weil ich so viel öffentlich schreibe und spreche und das reflektiere. Gerechtigkeit heißt für mich nicht, das eine durch etwas anderes zu ersetzen. Ich benutze weiter Wörter wie „Mannschaft“oder dass „Not am Mann“ist. Wenn jemand von „Seelsorgern“spricht, fühle ich mich angesprochen. Geschlechtergerechte Sprache kann ich besser schreiben als sprechen. Außer wenn ich von Gott rede. Gott hat für mich alle Geschlechter und keins. Deshalb vermeide ich Personalpronomen der dritten Person bei der Rede von Gott, wo es geht. Außer beim Segnen: „Gott segne dich und behüte dich. Sie lasse ihr Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Gott erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.“Wenn ich den Segen so spreche, findet das niemand lustig. Die Leute lächeln.
Unsere Autorin ist Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Lövenich in Erkelenz. Sie wechselt sich hier mit der Benediktinerin Philippa Rath, Rabbi Jehoschua Ahrens und dem Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide ab.