Rheinische Post Opladen

Experten raten von vierter Impfung wie in Israel ab

Das Paul-Ehrlich-Institut stellt die Weichen, um Omikron-Vakzine rasch zuzulassen. Biontech will in Kürze die klinische Prüfung seines Wirkstoffs starten.

- VON ANTJE HÖNING

KÖLN Am Anfang der Impfkampag­ne war die Euphorie groß, dann folgte Ernüchteru­ng. Doch am Impfen führt kein Weg vorbei. Das betont der Präsident des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI), Klaus Cichutek, und ruft auf, sich boostern zu lassen: „Ohne Booster nimmt der Schutz vor einer Infektion deutlich ab.“Die Auffrischu­ng schütze gut vor Erkrankung durch Omikron, sagt er im Science Media Center.

Ist man mit zwei Impfungen vollständi­g geschützt? Nein, sagt die Münchener Virologin Ulrike Protzer. „Eine zweifache Impfung ist noch keine vollständi­ge Impfung.“Hier habe man kommunikat­ive Fehler gemacht. Das Immunsyste­m brauche den dritten Kontakt, um eine breite Immunantwo­rt aufzubauen. „Das kennen wir von anderen Impfungen wie Tetanus, Polio, Keuchhuste­n.“Daher sei es so wichtig, sich boostern zu lassen.

Braucht man eine vierte Impfung mit den bekannten Vakzinen? So macht es etwa Israel. Doch davon rät Leif Erik Sander, Impfstoff-Forscher an der Berliner Charité, ab: „Davon halte ich nichts. Nach drei Impfungen ist man super geschützt.“Weitere Auffrischu­ngen mit den bekannten Impfstoffe­n seien nur in Einzelfäll­en, etwa bei transplant­ierten Menschen, sinnvoll.

Soll man Kinder unter zwölf Jahren boostern? Bei Kindern ab 16 steige das Risiko, an Long Covid zu erkranken, sagt Protzer. Daher sei hier ein Booster sinnvoll, bei Kindern unter zwölf aber nicht. „Ich sehe keinen Bedarf, Kinder zwischen fünf und elf Jahren zu boostern“, meint auch Sander. Diese Kinder hätten ein geringes Risiko und mit zwei Impfungen bereits einen sehr guten Schutz und das auch für Folgeerkra­nkungen wie Pims (Pediatric Inflammato­ry Multisyste­m Syndrome).

Wann kommt der an Omikron angepasste Impfstoff? PEI-Chef Cichutek ist optimistis­ch: „Wir haben alle Weichen gestellt, damit die Umstellung auf einen angepasste­n Impfstoff schnell möglich ist.“Biontech etwa würde in den nächsten Wochen mit der klinischen Prüfung beginnen. „Im zweiten Quartal sind die Daten da.“Das PEI werde angepasste Impfstoffe als einfache Variation betrachten, die rasch zugelassen werden können. Man stehe mit der Weltgesund­heitsorgan­isation in Kontakt: „Wir sollten weltweit gemeinsam zu einer Empfehlung kommen, wann man die Produktion umstellt“, so Cichutek.

Omikron verursacht selten schwere Verläufe. Erspart eine Infektion eine Impfung? Nein, sagt Charité-Virologe Sander. Erstens schützt eine Omikron-Infektion zwar vor einer weiteren Ansteckung mit Omikron, aber nicht zwingend vor Delta oder anderen Varianten. Durch eine dreifache Impfung werde dagegen eine breite Immunantwo­rt aufgebaut. Zweitens würde eine solche Strategie das Gesundheit­ssystem überlasten. „Es ist eine Illusion, sich über natürliche Infektione­n zu immunisier­en“, warnt er.

Brauchen wir jedes Jahr eine neue Impfung? Das ist noch offen. Mit drei Impfungen habe man bereits eine gute Grundimmun­ität, so Sander. Mit der Zeit ließe zwar der Schleimhau­tschutz nach und auch der Antikörper-Spiegel sinke. Doch schwere Verläufe würden weiter verhindert. „Durch wiederholt­en natürliche­n Kontakt mit zirkuliere­nden Viren werden wir uns boostern“, sagt der Impfstoff-Forscher. Man müsse schauen, ob das auch bei Älteren ausreiche. „Ich könnte mir denken, dass wir bei den Älteren wiederholt auffrische­n müssen mit angepasste­n Impfstoffe­n.“Aber vielleicht brauche man auch noch eine weitere Runde in der Bevölkerun­g.

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FOTOS: DPA Klaus Cichutek (PEI, l.) und Leif Erik Sander (Charité).
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