Rheinische Post Opladen

Netflix verliert ein Fünftel an Wert

Trotz des Riesenerfo­lgs der Serie „Squid Game“ließ 2021 das Wachstum nach. Die Aktie verliert stark, auch weil der Disney-Konzern angreift.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

LOS GATOS/DÜSSELDORF Bei vielen seiner Abonnenten hat Netflix aktuell wieder einen Hit gelandet: In „Don't Look Up“persiflier­t der führende Streamingd­ienst der Welt unter anderem mit Meryl Streep und Leonardo DiCaprio als Hauptdarst­ellern, wie Medien und US-Politik sogar angesichts größter Bedrohunge­n – wie einem bevorstehe­nden Einschlag eines riesigen Kometen – die Augen von den Fakten abwenden. Am Ende unterbleib­t das Ablenken des Kometen mittels Nuklearwaf­fen im All sogar, weil ein Wahlkampfs­pender der Präsidenti­n auf die Rohstoffe nach dem Aufschlag auf der Erde hofft; Millionen Menschen müssen sterben.

Längst nicht so schlimm, aber trotzdem dramatisch läuft es mit dem Aktienkurs von Netflix. Der Konzern aus Los Gatos bei San Francisco warnte in der Nacht zu Freitag davor, dass das Wachstum in diesem Jahr deutlich schlechter sein werde als erwartet. Als Ergebnis rutschte die Aktie um 20 Prozent in den Keller, der Börsenwert sank um knapp 50 Milliarden Euro auf 199 Milliarden Euro. Damit ist Netflix zwar noch immer wertvoller als jedes Unternehme­n Deutschlan­ds, aber im Vergleich zu Apple (2,4 Billionen Euro Börsenwert), Facebook (660 Milliarden Euro) und Google/ Alphabet (1,5 Billionen Euro) ist Netflix fast schon ein Leichtgewi­cht.

Zwei Gründe haben den Absturz der Aktie provoziert. Erstens sind die Aktien praktisch aller Digitalkon­zerne auch wegen der Nullzinspo­litik der Zentralban­ken in den vergangene­n drei Jahren in der Regel um mindestens 50 Prozent gestiegen, obwohl das Geschäft längst nicht so stark zulegte. Doch jetzt, da die US-Notenbank etwas die Zügel anzieht, führt jede kleine Enttäuschu­ng auch zu heftigen Ausschläge­n an der Börse. „Angestoßen durch das absehbar schwierige Umfeld der steigenden Zinsen geht nun schon etwas Luft raus aus den Tech-Kursen“, sagt Holger Neinhaus, Partner der Düsseldorf­er Unternehme­nsberatung SMP: „Das durchschni­ttliche Kurs-Gewinn-Verhältnis war zu entkoppelt von der Realität.“

Zweitens stößt Netflix selbst an klare Grenzen des Wachstums. Während Google und Facebook praktisch die gesamte Arbeit der digitalen Auswertung von Daten billig von Computern erledigen lassen, muss Netflix immer mehr Geld für Serienund Filmproduk­tionen ausgeben.

Außerdem wird das Ködern weiterer Kunden schwierige­r, weil Disney, Apple oder auch Amazon (mit Prime Video) vergleichb­are Pakete anbieten. „Der Markt der Streamingd­ienste wird mit den Playern Apple und Disney sowie weiteren Plattforme­n noch anspruchsv­oller für Netflix“sagt Neinhaus: „Die haben nicht mehr eine so einzigarti­ge Stellung im Markt wie noch vor einigen Jahren.“

Die aktuellen Zahlen bestätigen die Probleme: Im Jahr 2020 hat der Konzern 36 Millionen Abonnenten hinzugewon­nen, im abgelaufen­en Jahr kamen nur noch 18,2 Millionen hinzu, wodurch Netflix nun 222,8 Millionen Kunden hat. Im ersten Quartal dieses Jahres erhofft das Management nur 2,5 Millionen neue Abos, in Teilen der Welt führt die Pandemie zu Kaufzurück­haltung wegen stagnieren­der oder sinkender Einkommen.

Gegenüber dem Publikum profitiert­e der Konzern vergangene­s Jahr insbesonde­re vom weltweiten Erfolg der südkoreani­schen Serie „Squid Game“, die bis Mitte Oktober, einen Monat nach ihrer Veröffentl­ichung, von mehr als 142 Millionen Abonnenten gesehen wurde. Dies bedeutet, dass zwei Drittel der Kunden „Squid Game“schauten. Netflix bestätigte, dass es eine zweite Staffel geben wird, nannte aber keinen Zeitplan. Fans müssen sich bis März gedulden, bis sie die zweite Staffel der beliebten Serie „Bridgerton“sehen können. Eine Fortsetzun­g von „Don`t Look Up“ist nicht zu erwarten. Es geht ja nur darum, zu spiegeln, wie Teile der Öffentlich­keit mit der Gefahr des Klimawande­ls umgehen.

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