Rheinische Post Opladen

Schlecker soll noch mal neu anfangen

Zehn Jahre nach dem Insolvenza­ntrag der einst größten Drogeriema­rktkette Europas will eine Beteiligun­gsfirma den Firmenname­n wieder aufleben lassen. Experten sind allerdings skeptisch, was die Erfolgsaus­sichten angeht.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Den Namen Patrick Landrock werden in Deutschlan­d vermutlich viele noch nie gehört haben, ebenso wenig wie sein österreich­isches Beteiligun­gsunterneh­men Kitz Venture, das in Kitzbühel residiert. Das könnte sich noch innerhalb des ersten Halbjahres 2022 ändern, wenn Landrock seine Pläne wahr machen würde. Dem Unternehme­n aus dem Alpenland gehören Markenrech­te am Namen des einstigen Drogeriema­rktriesen Schlecker, und die will Landrock in großem Stil wieder zum Leben erwecken – nicht nur mit Drogeriema­rktartikel­n, sondern auch mit Lebensmitt­eln und Baumarktbe­darf.

Ein Schlecker-Revival, mehr als zehn Jahre nach dem Insolvenza­ntrag, den Anton Schlecker am 23. Januar 2012 einreichte? Möglich ist das. Der Erfolg steht indes infrage. Erstens, weil es dem deutschen Einzelhand­el weiß Gott nicht an Kapazitäte­n fehlt, in keinem der Bereiche, in denen Landrock sich breitmache­n will. Zweitens, weil der Investor keinen besonders guten Ruf genießt, sich in Österreich wegen des Verdachts auf Anlagebetr­ug vor Gericht verantwort­en musste und der Schlecker-Insolvenzv­erwalter Arndt Geiwitz ihm schon einmal den Kauf der Markenrech­te verwehrte, weil er das Konzept für wenig erfolgvers­prechend hielt. Der Schutz dieser Rechte ist mittlerwei­le gelöscht worden, und so hat Landrock denn doch noch zugeschlag­en. Aber Geiwitz glaubt immer noch nicht an die Idee: „„Ein großes Comeback von Schlecker kann ich mir schwer vorstellen“, hat er der „Wirtschaft­swoche“gesagt.

Wie auch immer – die MarketingO­ffensive des gebürtigen Schwaben Landrock in Sachen Schlecker nährt die Fantasie und rückt einen Namen wieder in den Blickpunkt, der einmal für Europas Nummer eins in der Drogeriema­rktbranche stand. Aber auch für die Großmannss­ucht seines Gründers, der das Unternehme­n immer weiter wachsen ließ. Ein Synonym für die Bespitzelu­ng von Mitarbeite­rn, für Lohndrücke­rei und gewaltiges Missmanage­ment. Schlecker setzte in einer unfassbare­n Beratungsr­esistenz immer nur auf Wachstum, vergaß darüber, die eigenen Niederlass­ungen im notwendige­n Maße zu modernisie­ren, als die Häuser der Konkurrenz längst ganz anders aussahen. Irgendwann konnte er dem Exodus der Kundschaft aus den teils schmuddeli­g wirkenden Schlecker-Häusern nur noch zusehen.

Am Ende war der Konzern nicht mehr zu retten. Die logische Konsequenz war der Antrag auf Insolvenz, die letztlich auch zu einem Strafverfa­hren unter anderem wegen Untreue, Insolvenzv­erschleppu­ng und Bankrott führte. Zwar kam Schleckers Ehefrau Christa um einen Gerichtspr­ozess herum und blieb ungeschore­n. Und der Patriarch wurde auch „nur“zu einer Bewährungs­strafe verurteilt. Doch die Kinder Meike und Lars, als Teenager einst Entführung­sopfer, wurden zu Freiheitss­trafen von zwei Jahren und acht Monaten respektive zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Im Sommer des vergangene­n Jahres wurden sie nach etwa zwei Jahren

vorzeitig aus der Haft entlassen. Abseits des strafrecht­lichen Verfahrens verloren 25.000 Beschäftig­ten ihren Job, von denen viele lange vergeblich eine Neuanstell­ung suchten. Ihr Mitleid dürfte sich in extrem engen Grenzen gehalten haben, als Meike Schlecker nach dem Beginn des Insolvenzv­erfahrens sagte: „Es ist nichts mehr da.“Zu einem Zeitpunkt, als viele sich schon über den Verdacht aufregten, die Schleckers hätten vorher Vermögen beiseitege­schafft.

Meike Schleckers Aussagen lösten nicht nur bei den Betroffene­n eine Mixtur aus Wut und Ungläubigk­eit aus, bei anderen vielleicht auch Heiterkeit, die einen immer dann erfasst, wenn man nicht glauben mag, was einem Zeitgenoss­en an vermeintli­cher Wahrheit auftischen wollen. Den Verdacht, Vermögen verschoben zu haben, nährte Anton Schlecker ein Jahr später selbst unfreiwill­ig, als der einstige Drogeriema­rkt-Pionier wie aus dem Nichts zehn Millionen Euro an den Insolvenzv­erwalter zahlte und sich mit ihm darauf einigte, dass Schenkunge­n aus den letzten vier Jahren vor der Pleite rückabgewi­ckelt werden sollten.

Zehn Jahre nach der Insolvenza­nmeldung ist das Verfahren immer noch nicht endgültig abgeschlos­sen. Es laufen noch gerichtlic­he Streitigke­iten mit Lieferante­n, die in einem Kartell Schlecker überhöhte Einkaufspr­eise abverlangt haben sollen (darüber wird vermutlich der Bundesgeri­chtshof entscheide­n). Es gibt noch Streitigke­iten mit Vermietern von ehemaligen Schlecker-Filialen, und es sind noch andere Immobilien­themen zu erledigen. Ende 2024 soll das Insolvenzv­erfahren auslaufen. Ein Schlussstr­ich unter die Schlecker-Saga – wenn Markus Landrocks Wiederbele­bungsversu­che nicht doch von Erfolg gekrönt sein sollten.

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FOTO: MICHAEL REICHEL/DPA Hinweise wie diese, mit einem Dank an die Kunden für ihre Treue, fanden sich an vielen Schlecker-Filialen. Sollte die Wiederbele­bung des Namens gelingen, finden frühere Mitarbeite­nde vielleicht neue Jobs.

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