Hütters Ideen verpuffen
Borussia Mönchengladbachs Mannschaft fehlen vor allem Nachhaltigkeit und Konstanz. Der Trainer muss sich deswegen Kritik gefallen lassen. Er muss nun schnell beweisen, dass er seinen Spielern das richtige Werkzeug mitgeben kann, um aus der Krise zu kommen
MÖNCHENGLADBACH Adi Hütter war ehrlich. „Es ist die schwierigste Situation in meiner 13-jährigen Tätigkeit als Trainer“, sagte der 51 Jahre alte Österreicher, der seit dem 1. Juli 2021 für die Geschicke bei Bundesligist Borussia Mönchengladbach zuständig ist, am Freitag. Dass er 205 Tage nach seinem Jobantritt so etwas sagen würde, „hatte ich nicht erwartet“, gab Hütter vor dem Heimspiel gegen Union Berlin (Samstag, 15.30 Uhr, Sky) zu.
Dass zu diesem Zeitpunkt sogar darüber diskutiert wird, ob der – wie Manager Max Eberl bei Hütters Verpflichtung sagte – „passendste Trainer für Borussia“wirklich noch der Richtige ist oder ein Wechsel nötig ist, „ist ein normaler Prozess“, so Hütter. Angst vor einem vorzeitigen Aus hat er jedoch nicht: „Ich spüre das Vertrauen des Vereins.“Dass Eberl eher länger als andere an Trainern festhält, ist in der Branche bekannt. Doch nach dem unehrenhaften Pokal-Aus beim Zweitligisten Hannover 96 und der eklatanten Nähe zur Abstiegszone in der Liga „müssen wir so schnell wie möglich in die Spur kommen“, weiß Hütter nach sechs Niederlagen in den vergangenen acht Pflichtspielen.
Er braucht positive Ergebnisse, und das Heimspiel gegen Union ist eines, in dem sich seine Mannschaft tunlichst keinen weiteren Offenbarungseid leisten sollte. Sonst wären die folgenden Partien bei Arminia Bielefeld (5. Februar) und gegen den FC Augsburg (12. Februar) nicht nur Abstiegsduelle, sondern unter Umständen Endspiele für den Trainer. Allerdings bindet Hütter die Ablöse von 7,5 Millionen Euro auch anders an den Klub als manche seiner Vorgänger. Alternativen wären rar und zwei Cheftrainer auf der Gehaltsliste kaum zu vereinbaren mit der aktuellen Finanzlage.
Der Plan A der Gladbacher heißt Hütter. Doch bietet der Trainer, der in Österreich mit RB Salzburg und in der Schweiz mit Young Boys Bern Meister wurde und Eintracht Frankfurt ins Halbfinale der Europa League führte, durchaus Angriffsfläche. Er ist, allein wegen der Debatte um seine Person, angezählt. 1,16 Punkte im Schnitt sind kein
„Es ist die schwierigste Situation in meiner 13-jährigen Tätigkeit als Trainer“Adi Hütter Trainer Borussia Mönchengladbach
gutes Argument. Und schon gar nicht armselige Leistungen wie die in Hannover. Danach gab Kapitän Lars Stindl zu, dass vorher und in der Pause viel besprochen worden sei, doch auf dem Platz sei nichts davon angekommen. Natürlich liegt da die These nah, dass des Trainers Botschaften nicht ankommen im Team. Hütter habe die Kabine verloren, wird zudem kolportiert. So habe unter anderem die zeitweilige Degradierung von Florian Neuhaus und Christoph Kramer dem Trainer im Team Kredit gekostet. Beim „Er spielt nicht, er spielt“in der Causa Matthias Ginter machte Hütter keine glückliche Figur. Kein Trainer hat alle Spieler immer hinter sich. Doch braucht es eine vernünftige Chemie in einer Phase wie dieser, um „gemeinsam da raus zu kommen“.
Hütter hat Borussia ein neues System verpasst, das ist gut und hat neue personelle Reizpunkte gesetzt. Es gibt ein Hütter-System, aber den HütterFußball, der beim 5:0 gegen gegen FC Bayern im Pokal in Reinkultur zu besichtigen war, gab es zu selten und zuletzt gar nicht mehr. Fehlendes Tempo am Ball und im Kopf monierte Hütter nach dem Hannover-Spiel, auch Kampfgeist und Unbedingtheit vermisste er. Gleichwohl
ist es an ihm, „den Spielern Werkzeuge an die Hand zu geben, um wieder erfolgreich zu sein“. Die hat er dem Team offenbar noch nicht vermittelt.
Als er kam, war sein Anspruch, die Defensivarbeit zu verbessern. Das gelang nur zeitweise. Nach vorn ging es zuweilen gut ab, doch ob es um fußballerische Aspekte, das Anlaufen oder Tiefenläufe geht – wie bei der Verteidigung des eigenen Tores fehlen Nachhaltigkeit und Konstanz. Die Divenhaftigkeit ist ein uraltes Problem Borussias, das Hütter indes in den Griff kriegen muss.
Borussia schien im späten Oktober 2021 mit dem 5:0 gegen Bayern voll angekommen in der Gedankenwelt des Trainers, seitdem ist sie wieder vom Weg abgekommen. Dass Hütter zu einer Borussia gekommen ist, die nicht gefestigt ist, sein Team dringend einen Umbruch nötig hat und Top-Spieler immer wieder verletzt ausfallen, muss man ihm zugestehen. Dort ist er hineingeraten. Doch konnte er Gladbach bisher keine langfristige Stabilität geben und vermeintlich gute Ideen verpufften oft. Alles in allem ist es ein gefährlicher Mix für einen Trainer. Es ist dringend an der Zeit für Hütter nachzuweisen, dass er wirklich gut zu Gladbach passt.
„Ich spüre das Vertrauen des Vereins“Adi Hütter