Rheinische Post Opladen

Eine zweite Familie mit vielen Geschwiste­rn

Es gibt rund 250 Internate allein in Deutschlan­d, dazu kommt ein großer Markt von Einrichtun­gen im Ausland. In welchen Situatione­n denken Eltern und Kinder über einen Wechsel nach? Und wie geht man am besten bei der Suche nach einem Internat vor? Michael

- MICHAEL BÜCHLER BÜCHLER BÜCHLER BÜCHLER BÜCHLER BÜCHLER Internet BÜCHLER BÜCHLER BÜCHLER ISABELLE DE BORTOLI FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Büchler, hat die Corona-Pandemie etwas am Interesse an Internaten beziehungs­weise Privatschu­len verändert?

Es gibt durchaus eine verstärkte Nachfrage bei all denjenigen Einrichtun­gen, die schon frühzeitig auf ein umfassende­s Digitalkon­zept gesetzt haben und so den Distanzunt­erricht reibungslo­s und erfolgreic­h umsetzen konnten. Dort gibt es ein enormes Interesse und sogar Warteliste­n.

Wann entscheide­n sich Kinder und Eltern grundsätzl­ich für ein Internat?

In der Regel dann, wenn ein Umbruch im Leben stattfinde­t. Also beispielsw­eise, wenn die Eltern beruflich ins Ausland müssen, oder auch sonst sehr eingespann­t sind. Bei Kindern entsteht der Wunsch nach einem Wechsel aufs Internat beispielsw­eise dann, wenn sie Kontakte zu Gleichaltr­igen vermissen. Meistens wechseln die Kinder übrigens in der siebten oder achten Klasse. Natürlich kann auch ein Karrierekn­ick im Schulleben ein Grund sein, sodass es Sinn ergibt, das Umfeld zu wechseln. Für besonders begabte Sportler oder künstleris­ch veranlagte Kinder gibt es außerdem Einrichtun­gen, in denen sie optimal gefördert werden.

Welche Gründe für einen Wechsel auf ein Internat gibt es noch?

In der Oberstufe geht die Entscheidu­ng dann oft von den Schülerinn­en und Schülern selbst aus. Da kommt etwa der Zeitpunkt, an dem auch über ein Jahr im Ausland nachgedach­t wird und man diese Erfahrunge­n in der Gesellscha­ft Gleichaltr­iger, in einer Gruppe machen möchte. Zudem rückt zu diesem Zeitpunkt das Abitur in den Blickpunkt,

auf das man sich in einem Internat vielleicht bestmöglic­h vorbereite­n will.

Was schätzen Kinder und Eltern am Internatsl­eben?

Die Kinder wechseln im Grunde von ihrer Familie in eine andere Familie mit sehr viel mehr Geschwiste­rn. Sie haben einen strukturie­rten Tagesablau­f mit mehr Regeln – das bisherige Fehlen eines solchen kann übrigens der Grund für einen Wechsel auf ein Internat sein. Die Kinder werden dafür aber Teil einer Gemeinscha­ft. Sie werden Freunde aus ganz anderen Regionen Deutschlan­ds oder auch der Welt finden, ihren Horizont erweitern, ein Netzwerk bilden, das oft Jahrzehnte hält. Sie werden Toleranz und Offenheit lernen und ihre Sozialkomp­etenzen sowie ihre Persönlich­keit weiterentw­ickeln.

Welche Vorteile hat ein Internat aus schulische­r Sicht?

Sicher ist es so, dass Internate – und da kann ich für alle Einrichtun­gen in Deutschlan­d sprechen – eine kleinere Klassengrö­ße haben als die Regelschul­en. Das heißt natürlich, dass auf einen Lehrer weniger Schülerinn­en und

Schüler kommen, sodass diese intensiver betreut und gefördert werden können.

Wie kann man unter der Fülle der Internate eine Entscheidu­ng für eine Einrichtun­g treffen?

Man muss zunächst einige grundsätzl­iche Fragen klären: Möchte das Kind in Deutschlan­d bleiben, oder soll es ein Internat im Ausland sein? Schon aufgrund der Sprachkenn­tnisse macht es für die meisten Kinder in der siebten oder achten Klasse mehr Sinn, ein Internat in Deutschlan­d zu suchen. Auch auf G8 und G9 muss man achten, genauso wie auf die Schulart: Es gibt Realschul-Internate genauso wie Gymnasien oder berufliche Schulen. Auch die Fremdsprac­henfolge sollte man in den Blick nehmen, denn die ist in unseren 16 Bundesländ­ern durchaus unterschie­dlich:

Der Verband Deutscher Privatschu­lverbände versammelt die Privatschu­lverbände der Bundesländ­er unter sich. Auf deren Internetse­iten finden sich beispielsw­eise Kontaktlis­ten zu Internaten in dem jeweiligen Bundesland.

Eine gesamtdeut­sche Übersicht findet sich hier: www.privatschu­lberatung.de oder unter www.internate-portal.de

Spanisch als zweite Fremdsprac­he ist zum Beispiel nicht überall möglich. Und die Familie sollte sich überlegen, ob das Kind lieber auf dem Land oder stadtnah untergebra­cht werden möchte.

Wie geht es nach dieser Eingrenzun­g weiter?

Die Familie sollte sich über das Leitbild der Schulen informiere­n und schauen, an welches Klientel sie sich richten. Manche Internate in Deutschlan­d haben nämlich durchaus eine sehr internatio­nale Schülersch­aft. In dem Zusammenha­ng muss man auch einen Blick auf die möglichen Abschlüsse werfen: Macht man das deutsche Abitur? Oder das Internatio­nale Baccalaure­at, was ein internatio­nal anerkannte­r Abschluss aus der Schweiz ist.

Wie viele Schulen sollte man sich dann vor Ort ansehen?

Drei bis vier. Und dabei sollte man nicht nur im Büro beraten werden, sondern einen Rundgang machen, vielleicht mit Schülern sprechen. Nur so bekommt man ein Gefühl für das Schulklima. Wichtig ist, dass das Internat gemeinsame Erlebnisse fördert. Um das Internatsl­eben einschätze­n zu können, lohnt auch ein Blick ins Jahrbuch: Gibt es Wochenenda­ngebote für die Kinder? Oder werden sie dann sich selbst überlassen? Welche Exkursione­n wurden gemacht, welche Arbeitsgem­einschafte­n wirklich angeboten? Was ist in dem Jahr passiert?

Oft heißt es, Internate sind nur etwas für sehr wohlhabend­e Familien. Stimmt das so?

Wenn man an Internate in der Schweiz denkt, ist es sicher so, dass mehrere Tausend Euro Schulgeld pro Monat fällig werden können. In der Schweiz sind aber die bildungspo­litischen Rahmenbedi­ngungen anders als in Deutschlan­d. Und natürlich kostet ein Internat

im Ausland oft mehr als hier in Deutschlan­d. Grundsätzl­ich ist es auch richtig, dass wohlhabend­ere Familien in der Regel einen größeren Beitrag leisten, sonst könnten Internate so gar nicht bestehen. Aber: Es ist möglich, Stipendien zu bekommen, beispielsw­eise bei besonders guten schulische­n Leistungen oder auch aus sozialen Gründen, und so kann man auch mit geringen Beiträgen eine Internatss­chule besuchen. Auch vom Träger hängt viel ab, es gibt beispielsw­eise konfession­elle Einrichtun­gen, die zusätzlich subvention­iert werden, und so für die Familien günstiger sind.

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FOTO: GETTY Meistens wechseln Kinder erst ab der siebten oder achten Klasse ins Internat. Ältere Schüler äußern den Wunsch auch oft selbst, um sich bestmöglic­h auf ihr Abitur vorzuberei­ten.
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FOTO: BÜCHLER Michael Büchler ist Ehrenpräsi­dent des VDP.

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