Orbán zu Gast bei Putin
Derweil versucht die EU, die Ukraine auf verschiedenen Ebenen zu stabilisieren.
BRÜSSEL Einmal Ukraine von West nach Ost und zurück – das Reiseprogramm des CDU-Europapolitikers David McAllister und seiner acht Kollegen aus dem Europaparlament hatte eine doppelte Funktion, wie er am Dienstag in Kiew bilanzierte: „Wir sind hier, um die Situation vor Ort zu evaluieren, wir wollen zugleich aber auch ein klares Signal der Unterstützung senden“, erklärte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses. Und die Chefin des EU-Sicherheitsausschusses, die Französin Nathalie Loiseau, unterstrich, dass die EU im Eintreten für die territoriale Integrität und die Abwendung von ökonomischem, militärischem und psychologischem Druck selten so einig gewesen sei wie in den zurückliegenden Wochen.
Für das gleichzeitig laufende Manöver des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán galt das weniger: Er zog Aufmerksamkeit (und oppositionelle Kritik) auf sich, als er am Dienstag zu Russlands Präsident Wladimir Putin reiste. Niemand wolle Krieg in der EU, lautete die Botschaft des Manns aus Budapest auf seiner selbst ernannten „Friedensmission“. Putin nutzte den Besuch, um erstmals seit Tagen die russische Sicht klarzumachen: Die Sicherheit in Europa sei „unteilbar“, deshalb müsse der Westen dem Wunsch nach einem Ende der Nato-Beitritte Rechnung tragen.
Orbán wollte mitten in seinem heimischen Wahlkampf mit Putins Hilfe bei den Energiepreisen punkten. Darüber hatte zuvor auch EUVizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis in Kiew gesprochen und den Verdacht unterstrichen, dass Putin mit dem Drosseln von Gaslieferungen zu den derzeit steigenden Preisen beitrage.
In einem Telefonat mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow verlangte US-Außenminister Antony Blinken zwar erneut, dass Russland sofort die Lage an der russisch-ukrainischen und belarussisch-ukrainischen Grenze deeskalieren und Truppen wie Ausrüstung zurückziehen müsse. Doch wurde bei dem Gespräch nach Auskunft von mithörenden Diplomaten zugleich klar, dass Russland dazu keinerlei Bereitschaft zeige. Lawrow
klagte anschließend, dass der Westen seine Verpflichtungen nur zu seinen Gunsten erfüllen wolle. Moskau will außer einem Aufnahmestopp der Nato auch den Abzug von Nato-Truppen und -Waffen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die USA hatten dies mehrfach abgelehnt.
Die EU-Kommission beschloss am Dienstag zudem ein weiteres 1,2-Milliarden-Euro-Hilfspaket für die Ukraine. Mit den darin enthaltenen Finanzhilfen sollen Kiew langfristige Kredite zu besonders günstigen Konditionen bereitgestellt werden, um das Land in der Krise zu stabilisieren. Wenn das Parlament und der Rat dem Hilfspaket zügig zustimmen, kann laut Kommission eine erste Tranche von 600 Millionen bald ausgezahlt werden.