Rheinische Post Opladen

16.000 Standorte im Handel vor dem Aus

Die Pandemie beschleuni­gt das Ladensterb­en enorm. Umsatzerho­lung gibt es zwar, doch sie kommt fast nur aus dem Onlinegesc­häft.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF In der Pandemie verabschie­det sich so mancher kleine deutsche Einzelhänd­ler still und leise aus dem Geschäft. Rund 16.000 Verkaufsst­andorte könnten nach Einschätzu­ng des Handelsver­bandes Deutschlan­d (HDE) in diesem Jahr schließen, und längst nicht jeder Inhaber solcher Ladenlokal­e meldet Insolvenz an. „Viele wickeln ihr Geschäft einfach ab“, sagt HDEHauptge­schäftsfüh­rer Stefan Genth. Trauriges Ende einer mitunter jahrzehnte­langen Handelskar­riere. Bestätigt sich die Einschätzu­ng, wären seit 2015 schon etwa 60.000 Läden von der Bildfläche verschwund­en, in den meisten Fällen solche von kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n.

Genths Prognosen scheinen nicht zu den nackten Zahlen des vergangene­n Jahres und den Voraussage­n für 2022 zu passen. Im abgelaufen­en Jahr hat die gesamte Branche immerhin noch ein Wachstum von 1,8 Prozent auf 588 Milliarden Euro geschafft – und für das laufende Jahr schätzt Genth das Umsatzplus bei entspreche­nder Verbesseru­ng der Corona-Lage und einer Rücknahme der aktuellen Beschränku­ngen sogar auf drei Prozent. Aber erstens bliebe davon, wenn die aktuellen Inflations­raten nicht sänken, real nichts übrig. Und zweitens ist das Plus wie immer in den vergangene­n Jahren vor allem dem Onlinehand­el zu verdanken. Der könnte nominal um 13,5 Prozent wachsen, während das stationäre Geschäft nach HDEPrognos­e nur um 1,2 Prozent zulegen wird. 2021 waren die Unterschie­de noch größer: 19 Prozent plus online, 0,7 Prozent minus im stationäre­n Handel.

Einen Grund für die schwachen Zahlen im klassische­n Ladengesch­äft sieht Genth in den aktuellen 2G-Regeln in vielen Bundesländ­ern, die die Branche gern abgeschaff­t sähe. Eine Forderung, für die sie mittlerwei­le sogar Unterstütz­ung vom gar nicht coronagepl­agten Lebensmitt­elhandel bekommen hat. Der Bremer Oberbürger­meister Andreas Bovenschul­te (SPD) hat Genth mit seiner Forderung nach bundeseinh­eitlichen Regeln im Handel aus der Seele gesprochen, nachdem es bereits in fünf Bundesländ­ern (Niedersach­sen, Bayern, Saarland, Baden-Württember­g und Hessen) Gerichtsur­teile gegen 2G im Handel gegeben hat und die Regeln in vier Ländern abgeschaff­t wurden. Die Hoffnung: Auch die anderen mögen es doch tun. Aber am Ende ist klar: „Die Länder müssen über 2G entscheide­n“, so Genth, der die Regeln für nutzlos hält, weil sie eben keine Verbesseru­ng der Infektions­zahlen brächten.

Bovenschul­te wird sich um den eigenen Handel sorgen, dem die vorübergeh­ende Abwanderun­g von Kunden ins 2G-befreite Nachbarlan­d Niedersach­sen droht. Aber auch abseits eines solchen ShoppingTo­urismus führen die Regeln nach Überzeugun­g der Unternehme­n zu weiteren Umsatzvers­chlechteru­ngen. In den Ländern, in denen 2G nicht gelte, liege der Erlösrückg­ang bei 15 Prozent, in den anderen doppelt so hoch, heißt es in der Branche. Die Kundenfreq­uenzen in den Innenstädt­en nehmen ab, und das

ist der „Killer für die Unternehne­n“, wie HDE-Chefvolksw­irt Olaf Roik erklärt. Vor allem für die kleinen und mittelstän­dischen Anbieter.

Die großen Verlierer bleiben im stationäre­n Geschäft vor allem die Bekleidung­shändler mit einem Umsatzrück­gang um neun Prozent im abgelaufen­en Jahr. In diesem Jahr könnte es noch einmal um etwa zwei Prozent runtergehe­n. Gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 hätten die Modeanbiet­er dann fast ein Drittel ihres Geschäftes verloren.

Dem Handel bleibt die Hoffnung auf eine Besserung der pandemisch­en Lage irgendwann in diesem Jahr und auf eine Nachbesser­ung bei den Corona-Hilfen, die für die Händler erst dann greifen, wenn deren Umsatz um mindestens 30 Prozent zurückgega­ngen ist. Diese Zugangshür­den zu senken, forderte Genth am Dienstag erneut.

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