Was Daten Gerardo Seoane verraten
Gut 90 Minuten auf dem Rasen ergeben eine Flut von Statistiken. Die Analyse von Zahlen spielt für Bayer Leverkusens Trainer Gerardo Seoane eine wichtige Rolle – als Puzzleteil für Entscheidungen auf und neben dem Platz.
LEVERKUSEN Der Profifußball hat sich längst zu einem Sport der Zahlen entwickelt. Zu jedem Spiel gibt es eine Fülle an Daten und Statistiken – für einzelne Spieler, aber auch für gesamte Mannschaften und den Verlauf einer Partie. Bayer Leverkusens Coach Gerardo Seoane verlässt sich bei der Auswertung auf ein ganzes Team von Analysten im Klub, in Markus Daun hat er einen Co-Trainer für diesen Bereich. Die Vermessung des Sports spielt eine große Rolle für seine Arbeit als Fußballlehrer.
„Statistiken sind mir immer wichtig, um unsere Spielweise zu kontrollieren – und gegebenenfalls auch zu revidieren“, sagt der Schweizer. „Mich interessiert daran auch der Abgleich meiner Meinung mit den Analysen des Spiels. Das sind alles Puzzleteile für die Entscheidungsfindung in der Frage, wie wir spielen wollen.“
Dabei geht die Auswertung der Zahlen freilich weiter als die üblichen Werte, die nach einer Partie im Fernsehen veröffentlicht werden. Torschüsse, Passquote und Ballbesitz sind zwar auf den ersten Blick interessante Werte, aber für die tiefere Analyse vergleichsweise nutzlos, ohne sie in Relation zueinander zu setzen. „Ballbesitz ist zum Beispiel ein trügerischer Wert“, sagt Seoane. „Wenn eine Mannschaft 30 Abstöße hat, gibt das unter Umständen fast zehn Minuten.“Daher sei für ihn nur der Ballbesitz in der Nettospielzeit relevant, betont der Schweizer – und auch nur in Verbindung mit anderen Werten. „Wo wir den Ball haben, in welcher Zone wir ihn erobern und wie viele Pässe wir brauchen, um in die Gefahrenzone zu kommen – das sind Werte, die uns interessieren.“
Das ist zum einen für die Aufarbeitung eines Spiels wichtig, aber auch für die weitere Trainingsgestaltung und die Vorbereitung auf das nächste Spiel. Ist eine Mannschaft zum Beispiel anfällig für Ballverluste im Spielaufbau, ist das Indikator dafür, dass Bayer verstärkt ins Pressing gehen kann. „Wir nutzen das natürlich
auch, um ein Gespür für die gegnerischen Mannschaften zu bekommen“, sagt Seoane. „Es ist schon ein Wahnsinn, was aus den Daten alles rausgezogen werden kann. Es gibt Ranglisten für praktisch alles.“
Bei allem Zahlenwerk gibt es aber im Profigeschäft nur eine, die wirklich zählt: Punkte. Entsprechend sind die Statistiken für den 43-Jährigen eines von vielen Hilfsmitteln und Werkzeugen im Arbeitsalltag. „Meine Philosophie ist, dass wir die bestmöglichen Entscheidungen für den Erfolg treffen“, sagt Seoane. Dabei geht er nicht dogmatisch vor.
Statistiken spielen indes auch bei der Verpflichtung von neuen Spielern eine große Rolle. In Sardar Azmoun hat sich Bayer in diesem Winter prominent verstärkt. Der 27-jährige Iraner kommt vom russischen Meister Zenit St. Petersburg. Eigentlich sollte der Mittelstürmer erst im Sommer ablösefrei wechseln, doch Bayer zog den Transfer gegen eine Ablöse von knapp zwei Millionen Euro vor – auch, um den Abgang von Nadiem Amiri zum CFC Genua zu kompensieren.
„Wir definieren Profile für gesuchte Spielertypen“, sagt Seoane. Dabei achte die Scouting-Abteilung im Klub auf die konkreten Werte und nehme einen Profi genau unter die Lupe. „Ich komme nicht mit einem Namen, sondern mit Anforderungen, die erfüllt werden müssen.“