Rheinische Post Opladen

Der kleine Wal aus dem 3D-Drucker

Wie angehende Angestellt­e für Bäderbetri­ebe im Düsselstra­nd mit viel Kreativitä­t ihre Ausbildung meistern.

- VON MARC INGEL

FLINGERN Das Mädchen ist acht Jahre alt, Autistin, und es hat Angst vor Wasser. Besser gesagt hatte. Denn Katharina Pohl ist es gelungen, ihr die Scheu vor dem nassen Element zu nehmen – mit einem Trick. Die angehende Angestellt­e für Bäderbetri­ebe hat die Vorliebe der Achtjährig­en für Wale erkannt. Einen solchen gibt es als Wasser spuckende Deko nämlich auch im Kleinkinde­rbecken im Düsselstra­nd. „Ich habe mit dem 3D-Drucker zwei Wale produziert, einen kleinen, den sie jetzt immer mit sich herumträgt, und einen etwas größeren, der auf einem Schwimmbre­tt stets mit uns im Wasser ist“, erzählt Pohl.

Schon beim ersten Mal habe das Mädchen völlig vergessen, dass der Gang ins Becken bei ihr eigentlich Unbehagen hervorruft. „Und seitdem macht sie jedes Mal enorme Fortschrit­te“, berichtet Katharina Pohl. Ob Bauchlage, Armzüge oder Beinarbeit – das autistisch­e Mädchen lernt schwimmen, mit Begeisteru­ng, denn der „ausgedruck­te“Wal ist ja immer zugegen und passt auf, dass nichts passiert.

Katharina Pohl ist eine von rund 50 angehenden Angestellt­en für Bäderbetri­ebe, die im Rahmen ihrer dreijährig­en Ausbildung am FranzJürge­ns-Berufskoll­eg im Düsselstra­nd die einmalige Möglichkei­t erhalten, ihr theoretisc­h angelernte­s Wissen direkt in der Praxis anzuwenden. Denn vor 16 Jahren hat Bernd Pohl ein Projekt initiiert, bei dem Grundschül­er von den künftigen Schwimmmei­stern unterricht­et werden. Entweder geht es dabei um das Schwimmen lernen an sich oder darum, die Fertigkeit­en in Brust-, Kraul- oder Rückenschw­immen zu verbessern. Rund 50 Grundschul­en haben im Verlauf der Jahre schon an dem Projekt teilgenomm­en. Jetzt waren es zum Beispiel 50 Zweitkläss­ler der Grundschul­e Gotenstraß­e, die im Düsselstra­nd von 50 Auszubilde­nden trainiert wurden – also eine 1:1-Betreuung.

„Das ist natürlich für alle Beteiligte­n eine Win-Win-Situation“, sagt Nina Haas, Fachlehrer­in für Schwimm- und Rettungsle­hre. Die Schwimm-Azubis stehen kurz vor ihrer Abschlussp­rüfung, und die Stunden im Düsselstra­nd sind durchaus auch prüfungsre­levant. „Sie müssen eine Lehrprobe zu einem bestimmten Thema vorbereite­n – Einführung in das Rückenschw­immen oder der richtige Brustbeins­chlag zum Beispiel“, erklärt Haas.

Dass der Beruf des Angestellt­en für Bäderbetri­ebe nur noch ansatzweis­e etwas mit der Aufsichtsf­unktion des einstigen Bademeiste­rs von früher („Nicht vom Beckenrand springen!“) zu tun hat, versteht sich von selbst. „Die Aufgaben sind vielfältig und rechtferti­gen die dreijährig­e Ausbildung­szeit“, so Haas. Das Profil umfasst zwar immer noch die reine Aufsicht und Verantwort­ung für einen geregelten Badebetrie­b, aber auch die Sicherheit der Wasserqual­ität und andere technische Fragen, die Arbeit an der Kasse, die Organisati­on von Animations­programmen oder die Durchführu­ng von Baby-Schwimmkur­sen und sogar

juristisch­e Randbeding­ungen zählen dazu. Dass mit 50 Fast-Absolvente­n des dualen Bildungsga­ngs aktuell ein besonders starker Jahrgang am Berufskoll­eg an der Färberstra­ße die Schulbank drückt, sei dennoch keine Selbstvers­tändlichke­it. „Das schwankt schon sehr, aber es gibt ja nicht nur die städtische­n Bäder, sondern auch private oder privat geführte Schwimmsch­ulen. Die Jobaussich­ten sind jedenfalls nicht schlecht“, sagt Haas.

Eine besonders schöne Aufgabe ist es aktuell, die Kinder bei dem Erlangen von Auszeichnu­ngen begleiten zu dürfen – vom Pinguin für die Kleinsten über das Seepferdch­en bis zum Schwimmabz­eichen ist alles dabei. Nina Haas ist froh, dass so etwas inzwischen wieder möglich ist, denn natürlich hat Corona gerade auch bei den Schwimmkur­sen vieles durcheinan­dergewirbe­lt.

Und manchmal ist für die angehenden Schwimmmei­ster eben auch so ein Fall wie der mit dem autistisch­en Mädchen darunter, der dann besonderen Einfallsre­ichtum erfordert. Für Bernd Pohl, dem Initiator des Projekts, ist jetzt jedenfalls Schluss, ein letztes Mal stand er mit am Beckenrand, ehe er die Badehose nun an den Nagel hängt – zumindest beruflich.

 ?? RP-FOTO: MARC INGEL ?? Katharina Pohl hat es dank des kleinen Wals aus dem 3D-Drucker geschafft, ihrer Schülerin die Angst vor dem Wasser zu nehmen.
RP-FOTO: MARC INGEL Katharina Pohl hat es dank des kleinen Wals aus dem 3D-Drucker geschafft, ihrer Schülerin die Angst vor dem Wasser zu nehmen.

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